Bahn-Börsengang wieder greifbar – Privatisierungsquote 24,9 Prozent

08.11.2006 15:38 Uhr

Nach einem drohenden Scheitern des Börsengangs der Deutschen Bahn kommt jetzt doch Bewegung in die Verhandlungen der großen Koalition.

Berlin. Damit rückte die angestrebte Teilprivatisierung entgegen den Widerständen in Teilen der Fraktionen von SPD und Union am Dienstag wieder in greifbare Nähe. Zur Untermauerung seiner Börsenpläne kündigte Bahn-Chef Hartmut Mehdorn nach Zeitungsangaben unterdessen ein bis zu 12,5 Milliarden schweres internationales Expansionsprogramm an - unter anderem die Übernahme osteuropäischer Staatsbahnen. Einen Tag vor entscheidenden Beratungen der Verkehrspolitiker deutete CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer an, dass die Union in der wichtigen Frage der Schienennetz-Organisation nun auf die SPD zugehen will. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekannte sich zur Privatisierung. Ihr Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) will nach Angaben aus Regierungskreisen möglichst in der ersten Hälfte 2007 ein Gesetz zur Teilprivatisierung vorlegen, die bis spätestens Herbst 2009 vollzogen werden soll. Die Regierung halte an der Privatisierung fest, erklärte Merkel auf dem Arbeitgebertag in Berlin. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ (Mittwoch) berichtete, will der ahnchef in den nächsten fünf Jahren zwischen 7,5 Milliarden und 12,5 Milliarden Euro weltweit investieren. Dabei gehe es unter anderem um den Erwerb von Stadtverkehrsgesellschaften in Metropolen wie Prag, Stockholm oder Lyon sowie Transport- und Logistikfirmen. Zudem solle der Schienengüterverkehr nach China und die Stellung der Bahn an Nord- und Ostsee-Häfen verbessert werden. In einer geplanten Entschließung soll der Bundestag die Regierung auffordern, ein Privatisierungsgesetz vorzulegen. Mögliche Beschlüsse der Verkehrspolitiker an diesem Mittwochabend sollen in einer erneuten Koalitionsspitzenrunde am Donnerstagmorgen abgesegnet und mit Zeitplan versehen werden. Eine erste Beratung des Koalitions-Ausschusses am Montagabend hatte keine Ergebnisse erbracht. Die zentrale Frage, die jetzt von den Verkehrsexperten aus dem Weg geräumt werden muss, ist für Tiefensee nach Angaben aus Koalitions-Kreisen die Schuldenfrage. Der Minister wie auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und die gesamte SPD-Führungscrew seien strikt gegen eine Übernahme der neuen Bahnschulden von 12 bis 15 Milliarden durch den Bund, die im Eigentumsmodell der Union angelegt sei. Diesem Betrag stehen in der Bilanz nur 7,5 Milliarden Euro Infrastruktur-Vermögen wie das Schienennetz gegenüber. „Es wird keine zweite Entschuldung“ nach der ersten Mitte der 90er Jahre über 64 Milliarden DM - also gut 30 Milliarden Euro - geben, heißt es. Die neuen Schulden gingen vor allem auf Großprojekte wie den Berliner Hauptbahnhof und Kostenexplosionen bei den Schnellstrecken Köln-Frankfurt/Main und Nürnberg-München zurück. Bei der SPD setzt man mit der wirtschaftlichen Verfügung der Bahn über die Netz-Infrastruktur - juristisch bleibt sie auch bei deren Modell (wie beim Eigentumsmodell der Union) im Eigentum des Bundes - darauf, dass die Bahn sich Zug um Zug mit Eigenmitteln von den Schulden befreien kann. „Es muss einen Kompromiss zwischen dem Eigentumsmodell (der Union) und dem Eigentumssicherungs-Modell (der SPD) geben“, sagte Ramsauer. „Wenn man so nahe beieinander ist, müsste es klappen.“ Dabei ging er auf das von Tiefensee eingebrachte Eigentumssicherungs-Modells zu, das die Union bisher strikt abgelehnt hatte. Wenn der Bund juristischer Eigentümer des Schienennetzes sei, könnte die Bahn Besitzer bleiben, „damit sie wirtschaftlich über das Netz verfügen kann - möglicherweise mit Bilanzierbarkeit“, sagte der CSU-Politiker. Dies aber ist der Kern des Eigentumssicherungsmodells der SPD. Die Union hatte der Bahn bisher nur zugestehen wollen, dass sie über einen befristeten Vertrag das Gleisnetz bewirtschaftet. Die Verkehrspolitiker von Union und SPD sind bei den Verhandlungen über den Börsengang der Bahn offenbar „auf Einigungskurs“. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am Mittwoch erfuhr, ist jetzt von einer ersten Privatisierungsrate von 24,9 Prozent die Rede. Damit käme „das Geld herein, das die Bahn für Investitionen“ brauche.

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