Actros Aero-Trailer

Actros Aero-TrailerEin halber Meter mehr!Zur sonst eher mauen Trailer-Messe in Kortrijk überraschte Daimler mit der Studie „Actros Aero-Trailer“ und setzt auf Seitenverkleidung und „Boat Tail“.Keine Sorge, wir wollen nicht ins Trailer-Geschäft einsteigen“ – dieses klare Bekenntnis von Daimler-Trucks-Chefentwickler Georg Weiberg vorausgeschickt, zog Daimler im Vorfeld der „Trailer“-Messe in Kortrijk eine Überraschung aus dem Hut. Mit dem Actros Aero-Trailer wolle man einen Denkanstoß geben und die Möglichkeiten aufzeigen, die im Gesamtkonzept Sattelzug aerodynamisch stecken, so Daimler zu der Studie. Die Trailer-Platzhirsche nahmen das Eindringen eines LKW-Herstellers in ihr Revier gelassen zur Kenntnis. „Das sind doch Sachen, an denen wir ohnehin arbeiten“, kommentierte stellvertretend Krone-Sprecher Frank Albers. Und Kögel-Sprecher Volker Seitz meinte: „Wir haben den verlängerten Sattelauflieger.“ Und der spare ohne großen konstruktiven Umbau auch an die zehn Prozent Sprit dank höherer Effizienz. Trotzdem geben die Trailer-Mannen natürlich zu, dass eine Firma wie Daimler mit ihrer Investitionskraft und den infrastrukturellen Möglichkeiten den mittelständisch geprägten Trailer-Fabrikanten überlegen sei. Einen eigenen Windkanal habe eben nicht jeder. Man sehe das ganze Thema kooperativ. Wobei Albers die trailermäßige „Wilderei“ von Daimler auch wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholte: „Schön und gut, aber man muss sehen, wie man das praktikabel hinbekommt.“ Die überstehenden Teile am Heck seien crashgefährdet und generell müsse die für die Beladepraxis wichtige – von Daimler auf dem Papier reklamierte – Klappbarkeit der Anbauteile erst mal konstruktiv umgesetzt werden. Ein Versuch, den Schmitz Cargobull an einem S.CS Ecocargo, dem Zweiachs-Aerotrailer von der IAA 2010, bereits exemplarisch vornahm. Einstweilen wähnen sich Kögel, Schmitz oder vor allem Krone mit schlichten Seitenverkleidungen auf der realistischeren Seite. Schon die bieten klare Verbrauchsvorteile. Das bewies etwa der zum Testzeitpunkt noch „Ecoliner“ genannte Krone-Anhänger, der im VR-Vergleich auf Autobahn-Rolletappen bis zu 5,8 Prozent Sprit gegenüber dem Standard-Curtainsider sparte (Heft 16/2010). Daimler ermittelte jetzt noch mal mit dem neuen Actros samt seitenverkleidetem Trailer 0,5 l/100 km oder weitere zwei Prozent weniger Spritverbrauch zur Rekord-Tour mit Standardtrailern im Realverkehr auf gleicher Strecke. Leider ist die Nachfrage nach solchen „Ökopaketen“ gering. Im Falle von Krone fallen etwa 3000 Euro für die Flankenverhüllung an. Die Realität: Preiskampf bei Trailern„Die Preissensibilität im Trailerbereich ist enorm“, klagt Albers. Experimentier- und investitionsfreudige Unternehmer wie der auch beim Daimler-Workshop als Kronzeuge angeführte Ulrich Boll aus Meppen seien die Ausnahme. Kollege Hannes Nachtlberger von Schwarzmüller hebt bei aller Technikbegeisterung die Bezahlbarkeit all der Lösungen, auch beim verwandten Thema Leichtbau, hervor.Wie auch immer: Bei der mit heißer Nadel entworfenen Studie kam für Weiberg und seine Aerodynamiker der sogenannte „Teardrop“-Trailer mit tropfenförmiger Silhouette nicht in Betracht. Davon halte man ebenso wenig wie von flach zulaufenden Heckabschlüssen oder etwaigen Veränderungen der LKW-Front – sprich Kurzhaube oder abgerundete „Soft Nose“, erklärte der Chefingenieur knapp. Das bringe nach eigenen Erkenntnissen kaum mehr als 1,5 Prozent Spritersparnis. Ein kleiner Seitenhieb gegen MAN und seine „Delfin“-Studie Concept S, die auf der letzten IAA die Blicke auf sich zog, aber für heftige Plausibiliäts-Diskussionen sorgte. Auch Teardrop-Fahrzeuge seien unrealistisch und nicht praxistauglich. Ein Standard-Trailer mit Seitenverkleidung und zusätzlichem „Boat Tail“ bringe allein ebenso viel Ersparnis. Eben in diesem Boat Tail, sprich am Heckabschluss, sahen die Daimler-Leute viel mehr Potenzial als an Front oder Dach. Hauptgrund für diesen Ansatz war für Weiberg auch, dass man die Standard-Box und die Laderaummaße beim Actros-Aero-Trailer unangetastet lassen wollte. Für Chefdesigner Bertrand Janssen eine echte Herausforderung. „Aber je strikter die Vorgabe, desto größer der Ansporn“, nahm der es sportlich. Allein ein relativ kurzer Boat Tail, also schräg angestellte, 400 Millimeter lange Klappen um die Heckportale, senke den cW-Wert um zehn Prozent und bringe nach Daimler-Berechnungen und Erkenntnissen aus dem Windkanal drei Prozent weniger Spritverbrauch. Hinzu kommt ein Diffusor am Heckunterboden (minus 2 bis 3 Prozent cW-Wert) sowie die schon heute erhältlichen Seitenverkleidungen, die den Luftwiderstand alleine um acht Prozent senkten. Einen kleinen Teil trägt auch der Anströmkörper vorn am Trailer bei (1 Prozent), der den Abstand zwischen Trailer und Fahrerhaus verringert. Über den gesamten Zug ergaben die Computerberechnungen einen um 18 Prozent besseren cW-Wert, was sich nach Mercedes-Erfahrungen in fünf Prozent Spritersparnis im realen Verkehr niederschlage. Bleibt die Frage, wann Daimler den Zauber-Trailer aus dem Computer auf die Straße holt. Und ob die Politik den Ruf nach einem „halben Meter mehr“ erhört. Mercedes-Trucks-Chef Hubertus Troska gibt sich zuversichtlich: Es sei weitere Aufklärung nötig, aber dann werde die Politik reagieren. Zudem führt Daimler Ausnahmen, etwa für LKW mit Mitnehmstapler oder Ladebordwände, als „Eisbrecher“ ins Feld. Vielleicht sorgt auch der steigende Spritpreis für mehr Handlungsdruck – und dafür, dass aus Daimlers traditionsreichen „Fingerübungen“ serienreife, selbstverständliche, bezahlbare Realität wird. Für die Firmenfinanzen und für die Umwelt wäre es ein Segen. ❙❚■ Johannes ReichelDer Anti-Delfin: Statt an der Front wie MAN beim Concept S sieht Daimler am LKW-Heck viel größeres PotenzialSpart in der Summe: Die Einzelmaßnahmen an Front, Seite und Heck des Trailers machen den Aero-Zug um 18 Prozent windschlüpfigerActros Aero-TrailerAlte Weisheit in neuem KleidSeit über 30 Jahren sorgt Daimler immer mal wieder mit aerodynamischen Studien für Furore. Der berühmte „Boat Tail“, den die Designer jetzt wieder aus der Schublade zogen, zierte etwa den sogar in 1:1 gebauten SK-Aerozug, mit dem Mercedes 1988 im Windkanal experimentierte. Der Anhänger stammte übrigens von Kögel. Eher futuristisch abgefahren wirkte der nur im Modell existierende EXT92. Und um den viel zitierten Verbrauchsrekord von Nardo zu erzielen, musste „altes Material“, sprich ein Kögel-Aeroauflieger aus den späten 90er-Jahren, herhalten. Also alles schon mal da gewesen, die Erkenntnisse sind nicht wirklich neu. Nur eine laut Designer Bertrand Janssen prioritär auf gute Aerodynamik hinentwickelte Zugmaschine wie den neuen Actros, die gab es wohl wirklich noch nie. Mal sehen, wie die Konkurrenz 2012 kontert – im Zweifel ohne Nase. jrMercedes SK mit „Boat Tail“-Trailer von 1988, Versuche mit 1:2,5-Modell, Studie EXT von 1992Hintergrund

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