Verunsichert und oft unterversichert

Eine Brandschutz- und Einbruchversicherung hat fast jedes Unternehmen. Gegen die Folgen von Cyberkriminalität ist trotz der zunehmenden Digitalisierung hingegen nur ein kleiner Teil geschützt. Die Transport- und Logistikbranche bildet diesbezüglich keine Ausnahme. Dabei wächst das Risiko, Opfer zu werden, ständig - genauso wie das Ausmaß dadurch verursachter Schäden. Der Deutsche Versicherungsverband GDV warnt seit Jahren davor, dass längst nicht mehr nur große Firmen das Ziel von Cyber-Verbrechern sind. Ohne einen Computer kommen selbst kleinere Betriebe kaum aus. Je abhängiger sie von der Technik seien, desto gravierender könnten nach seiner Einschätzung die Folgen eines Hackerangriffs oder einer internen Sabotage sein. Legt ein Virus die IT für längere Zeit lahm, steht im schlimmsten Fall die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel. Laut Bitkom nimmt das Risiko weiter zu Zahlen belegen die zunehmende Gefahr aus dem Internet: Haben digitale Angriffe 2017 noch 43 Prozent aller Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen, waren es 2019 bereits 70 Prozent, berichtete kürzlich der IT-Branchenverband Bitkom. Die finanziellen Schäden für die deutsche Wirtschaft, verursacht durch Betriebsunterbrechungen, Erpressung und Imageverlust, liegen demnach bei über 100 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, für die mehr als 1000 Geschäftsführer und Sicherheitsverantwortliche quer durch alle Branchen befragt wurden. "Die Freizeithacker von früher haben sich zu gut ausgerüsteten und technologisch oft sehr versierten Cyberbanden weiterentwickelt - zuweilen mit Staatsressourcen im Rücken", erläutert dazu Bitkom-Präsident Achim Berg. Über die Hälfte der erfolgreichen Cyber-Attacken zielte laut der Bitkom-Studie auf den Diebstahl von Identitäten: Damit erhalten Hacker Zugang auf Netzwerke, können die Infrastruktur kompromittieren und sind in der Lage, vertrauliche Finanz- oder Kundendaten zu klauen. Ziel waren auch kleine und mittlere Unternehmen, die oft stark in die Lieferketten von großen Konzernen eingebunden sind und somit häufig ein leichter zu knackendes Einfallstor darstellen Für die Zukunft prognostiziert eine breite Mehrheit der von Bitkom Befragten eine weitere Verschärfung der Sicherheitslage. Das leisten übliche Cyberversicherungen Mit einer Cyberversicherung können sich Unternehmen davor schützen. Sie zahlt eine vereinbarte Entschädigung, wenn eine Attacke den Geschäftsbetrieb ganz oder teilweise lahmlegt. Sie ist allerdings mehr als eine reine Schadenversicherung: Weil nach einem IT-Angriff jede Minute zählt, um die Auswirkungen zu begrenzen, und weil auch die Rechte von Dritten berührt sein können, bietet eine Cyberpolice zugleich wichtige Serviceleistungen. Die helfen vor allem kleineren Unternehmen, denen das nötige Know-how oft fehlt. Eine Standard-Cyberversicherung übernimmt etwa auch die Kosten der Datenwiederherstellung und IT-Rekonstruktion oder entschädigt betroffene Kunden bei Datenmissbrauch und Lieferverzug beziehungsweise wehrt unberechtigte Forderungen ab. Zur Seite stehen in der Regel auch IT-Forensik-Experten zur Analyse, Beweissicherung und Schadenbegrenzung sowie PR-Spezialisten für die Krisenkommunikation. Damit ein Unternehmen eine Cyberversicherung abschließen kann, muss seine IT ein Mindestmaß an Schutz aufweisen. Zum Beispiel muss es einen Virenschutz installiert haben, Daten mit individualisierten Zugängen für Mitarbeiter verschlüsseln und eine regelmäßige Datensicherung vornehmen. Obwohl sich der Deutsche Versicherungsverband GDV bemüht, einen Standard für Cyber-Policen zu etablieren, sind die Angebote oft unübersichtlich und der Leistungsumfang meist uneinheitlich. Die Anzahl der Unternehmen, die eine solche Versicherung für derartige Risiken bereits abgeschlossen haben, lag laut der Umfrage von Bitkom im vergangenen Jahr bei 17 Prozent. Hohes Schadenniveau verteuert Prämien Das liegt auch daran, dass sie relativ teuer sind. Die Jahresprämien solcher Cyberpolicen können leicht fünfstellige Beträge erreichen. Nach Auskunft des Versicherungsmaklers Schunck zahlt ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 50 Millionen Euro bei einer Selbstbeteiligung von 10.000 Euro je nach gewünschtem Schutz zwischen 7000 Euro für eine Schadendeckung bis 2 Millionen Euro und 30.000 Euro für eine Schadendeckung bis 10 Millionen Euro. Die genaue Prämienhöhe ist laut Schunck stets abhängig von der Branche, dem Auslandsgeschäft, dem Stand der Informationssicherheit sowie den mitversicherten Personen und Unternehmen. Für kleine Betriebe mit 1 bis 2 Millionen Euro Umsatz im Jahr kann die Prämie deutlich günstiger ausfallen. Bei einem Selbstbehalt von 1000 Euro und der empfohlenen Mindestdeckung von 500.000 Euro kostet eine Cyber-Police laut dem Online-Vergleichsportal Cyberdirekt knapp über 1000 Euro im Jahr. Tendenziell wird der Schutz teurer, denn das Schadenniveau von Cyber-Attacken steigt: Deutsche Unternehmen mussten laut dem "Cyber Readiness Report 2020" von Hiscox - Pionier in diesem Versicherungssegment - mit jährlich knapp 72.000 Euro im Durchschnitt zuletzt eine deutlich höhere Summe zur Behebung der Schäden zahlen und wurden darüber hinaus im internationalen Vergleich besonders häufig angegriffen. "Binnen drei Jahren sind die Prämien deshalb zwischen 20 und 30 Prozent nach oben gegangen", sagt Sascha M. Kessel, Leiter des Competence Center Cyber bei Schunck. Die Mehrheit der Transport- und Logistikunternehmen vernachlässigt nach seiner Erfahrung noch immer die IT-Sicherheit - obwohl sie wegen vieler Schnittstellen zu anderen Firmen und ihrem Zugriff auf sensible Daten zunehmend in das Visier von Cyberkriminellen geraten und Millionen-Schäden keine Seltenheit mehr sind. Cyber-Police oft sinnvoll als Ergänzung Eine Cyber-Versicherung kann aus Sicht des IT-Branchenverbands Bitkom darum eine sinnvolle Ergänzung zu umfassenden technischen und organisatorischen Vorkehrungen sein. Allerdings Unternehmen sollten ihr IT-Sicherheitsmanagement keinesfalls vernachlässigen, nur weil sie vermeintlich gegen Schäden aus Cyberattacken abgesichert sind, warnen die Experten. Denn nur wer ausreichend geschützt sei, sodass die Risiken nicht ausufern, komme überhaupt in den Genuss einer Versicherungsdeckung. "Gut geschulte Mitarbeiter sind der effektivste Schutz. So lassen sich unbeabsichtigte Schäden vorbeugen, Angriffe von außen werden besser abgewehrt und sind sie doch erfolgreich, lässt sich schnell gegensteuern", rät Bitkom-Präsident Achim Berg. Mehr zum Thema finden Sie unter #Versicherungen www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Eine Cyber-Police ist der elementare Schutz des 21. Jahrhunderts. Denn ohne IT geht heute auch bei Transport- und Logistikunternehmen nichts mehr. Die Versicherung zahlt nicht nur eine vereinbarte Entschädigung, wenn eine Attacke den Geschäftsbetrieb lahmlegt, sondern bietet auch Rat und Hilfe. Die Preise dafür steigen. Angriffe auf Transport- und Logistikunternehmen Der Versicherungsmakler Schunck hat jahrelange Erfahrungen mit Cyberschäden bei Transport- und Logistikunternehmen. Diese Praxisbeispiele zeigen, was schiefgehen kann und warum sich umfassender Schutz rechnet. Die Schadensumme wurde jeweils durch den Versicherer reguliert - ohne Abzug des Selbstbehalts des Kunden, weil es sich hier um eine Premium-Police handelt.Die Netzwerkattacke - Schadensumme: 14.000 EuroNur wenige Minuten, nachdem Anfang 2020 eine Sicherheitslücke in der Netzwerktechnik von Citrix bekannt geworden war, nutzten Kriminelle diese bei einem deutschen Logistikunternehmen aus, das rund eine Milliarde Euro Umsatz im Jahr erwirtschaftet. "Unser Kunde hatte keine Chance, den Angriff abzuwehren", erklärt Cyber-Experte Sascha M. Kessel vom Versicherungsmakler Schunck. Das Netzwerk des Logistikers musste daraufhin vorübergehend abgeschaltet werden, damit die Angreifer die Schwachstelle nicht durch Exploit-Codes ausnutzen und kein größerer Schaden entstehen konnte. Das redundante Notfall-Netzwerk verfügte über dieselbe Technologie, blieb allerdings unversehrt. Dies musste mittels einer forensischen Analyse dennoch sichergestellt werden. Dafür arbeitet Schunck mit Dienstleistern zusammen, die auf Prävention für IT-Sicherheit und Nothilfe bei Cyber-Kriminalität spezialisiert sind. Die Krisenexperten von SEC-Consult leiteten zwei Stunden nach der Meldung der Attacke erste Maßnahmen ein. Abwehr, Bereinigung und Wiederherstellung des Systems dauerten cirka fünf Tage.Der Phishing-Trick - Schadensumme: 22.000 EuroGefälschte E-Mails im Namen von Freunden, Nachbarn oder Kollegen gefährden derzeit weltweit Netzwerke. Sie verleiten sie zum unbedachten Öffnen des schädlichen Dateianhangs oder der in der Nachricht enthaltenen URL. In diese Falle tappte 2019 auch ein Mitarbeiter einer deutschen Spedition mit einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro. Der Trojaner Emotet verbreitete sich danach rasant und infizierte schnell die halbe IT. Die Firmenzentrale war am stärksten beeinträchtigt.Ist der Computer erst infiziert, lädt Emotet weitere Schadsoftware nach, in diesem Fall den Banking-Trojaner Trickbot. Diese führt zu Datenabfluss oder ermöglicht den Kriminellen die vollständige Kontrolle über das System."Emotet hat die unangenehme Eigenschaft, sich selbstständig zu modifizieren - es lernt", berichtet Sascha M. Kessel, Cyber-Experte bei Schunck. Dessen Krisendienstleister SEC Consult konnte dennoch schnell eingreifen."Er verhinderte eine Verschlüsslung der Dateien und Systeme." Nach einer kurzen Unterbrechung und einer IT-Bereinigung konnte die Spedition weiterarbeiten.Die Systemverschlüsselung - Schadensumme: 36.000 EuroEine mangelhafte Systemkonfiguration des Remote Desktop Protocols (RDP-Port) ermöglichte es 2019 einem Hacker, in das Netzwerk einer deutschen Spedition einzudringen. Das Unternehmen mit mehreren Hundert Millionen Euro Jahresumsatz wurde digital gekapert. Binnen weniger Minuten waren mehr als 1500 Programme verschlüsselt und somit die gesamte Zentrale quasi arbeitsunfähig. Die mangelhaft besetzte IT-Abteilung versuchte den Angreifer abzuwehren, dieser war jedoch in Know-how und Methoden überlegen. Der Schunck-Kunde schaltete nach vergeblichen Rettungsversuchen SEC Consult ein. Der Krisendienstleister machte sich sofort an die Decodierung des Systems, um einen erheblichen Betriebsunterbrechungsschaden zu verhindern."Auch hier ging ein Audit voraus, dessen Erkenntnisse für die effektiven Erste-Hilfe-Maßnahmen sehr dienlich waren", betonte Sascha M. Kessel, Cyber-Experte bei Schunck. Bis zu drei Cyber-Experten arbeiteten parallel ein Wochenende durch, um alles wieder zum Laufen zu bringen. ag

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