Unterm Schutzschirm

Von März bis Ende September 2020 mussten Unternehmen keine Insolvenz anmelden, wenn sie zahlungsunfähig waren. Hintergrund war das rückwirkend zum 1. März in Kraft getretene "Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz", mit dem die Bundesregierung eine Pleitewelle verhindern wollte. Doch das ändert sich jetzt. Der Gesetzgeber hat zwar soeben die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis Jahresende verlängert, aber nur für überschuldete Firmen (siehe VR 38/2020). "Ist ein Unternehmen dagegen zahlungsunfähig, muss es von Oktober an Insolvenzantrag stellen", betont Robert Buchalik, geschäftsführender Gesellschafter der Wirtschaftskanzlei Buchalik Brömmekamp Rechtsanwaltsgesellschaft in Düsseldorf (siehe Seite 45). Chef sitzt weiter auf der Trainerbank Was viele Unternehmer nicht wissen: Neben dem regulären Insolvenzverfahren gibt es auch die Möglichkeit, eine Insolvenz in Eigenverwaltung zu beantragen. Eine Option, die der Gesetzgeber schon in 2012 mit dem ESUG-Gesetz (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) geschaffen habe, führt Buchalik aus. Es soll Unternehmern helfen, das Unternehmen zu erhalten. Wesentlicher Unterschied zur regulären Insolvenz: "Beim Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung bleibt die Geschäftsführung im Amt und vertritt das Unternehmen weiterhin nach außen - wenn auch unter Aufsicht eines (vorläufigen) Sachwalters", betont der Jurist. Schon aus Gründen der Außenwirkung, etwa gegenüber Kunden und Lieferanten, sei dies wichtig. "Das angeschlagene Unternehmen kann sich also strategisch neu aufstellen, und der bisherige Firmenchef behält das Heft des Handelns weiter in der Hand", nennt Buchalik die maßgeblichen Vorteile. Auch die vorläufige Eigenverwaltung oder das Schutzschirmverfahren seien Insolvenzverfahren, betont Buchalik, der auch Vorsitzender des Bundesverbandes ESUG und Sanierung Deutschland ist. "Allerdings räumt das ESUG Unternehmen, die sich frühzeitig unter den Schutz des Insolvenzrechts stellen, vielfältige Sondervergünstigungen ein", erklärt er, "damit die Sanierung gelingt und Arbeitsplätze erhalten werden." Ein Unternehmen, das also rechtzeitig vor der eigentlichen Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag auf Eigenverwaltung gestellt habe, könne sich dank bestimmter Spielräume von Altlasten befreien, die ansonsten seinen Fortbestand gefährden würden, etwa von Pensionsverpflichtungen (mehr dazu siehe Kasten Seite 45). Vor Eingriffen der Gläubiger geschützt Weitere Vorteile sind: Löhne und Gehälter werden bei der Insolvenz in Eigenverwaltung bis zu drei Monate von der Bundesagentur für Arbeit aus den Mitteln des Insolvenzgelds vorfinanziert - ebenso die Sozialabgaben, etwa für die gesetzliche Krankenversicherung. "Die dadurch gesparte Liquidität kann so vollständig für die Sanierung eingesetzt werden", ergänzt Buchalik. Außerdem könne sich das Unternehmen unter Insolvenzschutz aus ungünstigen, auch langfristigen Verträgen mit einer Frist von maximal drei Monaten lösen. "Selbst aus langjährigen Mietverträgen oder auch Leasingverträgen kommt ein Spediteur so raus und muss die entsprechenden Raten nur mehr drei Monate lange bezahlen", sagt der Berater. "Alles das verschafft einem Unternehmen Luft und vor allem die nötige Liquidität, um in Ruhe Entscheidungen zu treffen, wie es sich in Zukunft aufstellen will." Und vor allem: "Das Sanierungskonzept bedarf nicht der Zustimmung aller Gläubiger, sondern kann auch mit Mehrheit durchgesetzt werden", betont der Berater. "Zudem ist während der gesamten Dauer des Verfahrens das Unternehmen vor den Eingriffen der Gläubiger geschützt." Beantragen kann ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beim Amtsgericht im Grunde genommen jedes Unternehmen - vorausgesetzt es verfügt über eine ordentliche Buchhaltung und ist nicht straffällig geworden. "Weil das Prozedere aber recht kompliziert und umfassend ist, sollte sich ein Geschäftsführer oder Firmeninhaber dringend bei der Antragstellung und für das gesamte Verfahren von einem versierten Experten helfen lassen", rät Buchalik. Denn letztlich schlüpfe er zum Zeitpunkt der Antragstellung in die Rolle eines Insolvenzverwalters. Außerdem empfiehlt Buchalik das Insolvenzverfahren auf Eigenverwaltung erst ab einer Betriebsgröße von 30 Mitarbeitern. Denn das angeschlagene Unternehmen müsse noch über ausreichend Liquidität verfügen, sagt er, um die Verfahrenskosten zu finanzieren und ein belastbares operatives Sanierungskonzept umzusetzen. Alles in allem ist Buchalik also davon überzeugt: "Die meisten Unternehmen gehen gestärkt aus einem Eigenverwaltungsverfahren hervor. Denn durch den Insolvenzplan können sie komplett entschuldet werden und sich von Altlasten befreien", unterstreicht der Restrukturierungsexperte. Und das sei nun einmal der beste Weg in die sichere Zukunft eines Unternehmens. Mehr zum Thema finden Sie unter #Insolvenz www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Ist ein Unternehmen zahlungsunfähig, muss es von Oktober an wieder einen Insolvenzantrag stellen. Denn die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht endet Ende September 2020. Vielen ist jedoch nicht bekannt, dass es neben der regulären Insolvenz als weiteren Ausweg die Insolvenz in Eigenverwaltung gibt. Mehr Spielräume, um sich von Altlasten zu befreien, Sanierungsexperte Roland buchalik im Interview Neben der regulären Insolvenz kann ein Unternehmen, das in Zahlungsschwierigkeiten gerät, Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung stellen. Was ist da der maßgebliche Unterschied zur regulären Insolvenz? In der Regelinsolvenz gibt es meist zwei Optionen: Entweder das Unternehmen wird zerschlagen und liquidiert, oder es wird verkauft. In einer Eigenverwaltung ist es das Ziel , das Unternehmen dem Unternehmer zu erhalten. Deshalb wurde das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) geschaffen. Salopp formuliert kann ein Unternehmen sich durch die Spielräume, die der Gesetzgeber damit schafft, von Altlasten befreien und sich so entschulden und Liquidität generieren. Vorteil zudem: Der Firmenchef behält hier das Heft des Handelns in der Hand. Von welchen Altlasten kann sich ein Unternehmen befreien? Bestimmte Regeln, die sonst gelten, werden hier weniger strikt gehandhabt, um das Unternehmen zum Beispiel entschulden zu können. So lässt sich mit Gläubigern leichter ein Schuldenschnitt vereinbaren, weil ein Unternehmer selbst aus langjährigen Miet- und Leasingverträgen nach drei Monaten raus kommt. Auch im Arbeitsrecht bietet dieses Verfahren mehr Spielräume. Die Freisetzung von Personal wird viel einfacher und kostengünstiger. Spannend wird es vor allem, wenn eine Firma Pensionsverpflichtungen hat. So kann die diese komplett an den Pensionssicherungsverein abtreten und bezahlt diesem nur eine Quote die meist zwischen 10 und 20 Prozent liegt, und die Mitarbeiter haben keinen Nachteil, weil der Pensionssicherungsverein die Rente in Zukunft zahlt. Und es gibt noch viele andere Hebel. eh

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