Stürmische Zeiten im Seefrachtmarkt

Viele bunte Kisten stapeln sich derzeit in den Seehäfen. Es gibt viel zu tun, nicht nur für die Terminalbetreiber und die Reedereien. Auch im Seehafenhinterlandverkehr können sich die Containertrucker und Bahnen über mangelnde Arbeit nicht beklagen. Deutsche Seehäfen verlieren an Boden Aber es läuft derzeit alles andere als rund. Die Seehäfen sind wie ein Trichter, durch den (viel zu) viele Container sch lüpfen wollen. Die Folge sind Verstopfungen, Staus, zum Teil überlaufende Häfen und stockende Abläufe an den Terminals (siehe VR 17/2021, Seite 32). Trotz des Container-Booms: In den deutschen Nordseehäfen macht man sich Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich. Denn Antwerpen und Rotterdam graben ihren deutschen Konkurrenten zunehmend das Wasser ab. Die Marktanteile von Hamburg und Bremerhaven in der Nordrange schrumpfen spürbar (siehe Grafik Seite 24). Bewegung gibt es daher auch bei den Terminalbetreibern. Cosco, viertgrößte Containerreederei weltweit, beteiligt sich mit 35 Prozent am Container Terminal Tollerort (CTT) der HHLA. Damit soll der CTT laut HHLA zu einem "Preferred Hub" in Europa werden, also einem bevorzugten Umschlagpunkt der Chinesen. Eine Woche später verkündet Hapag Lloyd, Deutschlands größte Linienreederei mit Sitz in Hamburg, man werde sich mit 30 Prozent am Container Terminal Wilhelmshaven (CTW) beteiligen. "Zufall ist das alles nicht", sagt Burkhard Lemper. Der Geschäftsführer vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) und Professor an der Hochschule Bremen gilt als Kenner der Containerschifffahrt und der Situation in den europäischen Seehäfen. "Die Reedereien hatten schon immer Interesse an Terminalbeteiligungen." Jetzt, wo sie mit hohen Containerraten auch sehr gutes Geld verdienen, verfügen sie über die finanziellen Mittel, sich bei den Terminalbetreibern einzukaufen. "So wollen sie sich Umschlagkapazitäten in den Terminals sichern", nennt Lemper ein wichtiges Argument für das Engagement der Terminalbetreiber. Lemper geht davon aus, dass Hapag Lloyd und seine Partner in der Containerallianz den einen oder anderen Dienst von Hamburg abziehen und nach Wilhelmshaven verlegen werden. "In das Terminal Altenwerder - eines der vier großen Terminals in Hamburg - zu kommen, ist für die ganz großen Schiffe nicht möglich, weil sie nicht unter die Köhlbrandbrücke passen", nennt Lemper einen limitierenden Faktor. Dazu kommen die fehlende Wassertiefe und Probleme beim Begegnungsverkehr auf der Elbe. Bei Hapag Lloyd will man sich nicht dazu äußern, welche Dienste von Hamburg nach Wilhelmshaven wandern. "Als Tiefwasserhafen ist der JWP gut anfahrbar, vergleichsweise effizient und bietet eine sehr ordentliche Infrastruktur im Hafenhinterlandverkehr", teilt ein Sprecher der Reederei mit. Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen hatte Ende September darauf verwiesen, dass man mit dem JWP die Transitzeiten nach Fernost um ein bis zwei Tage verkürzen könne. Es sieht also danach auch, als ob vor allem die eine oder andere Verbindung von und nach China künftig den JWP ansteuert. Das Engagement von Cosco in Hamburg beurteilt Lemper positiv: "Auch wenn die genaue Strategie der Reeder nicht bekannt ist, kann man davon ausgehen, dass Cosco zumindest seine Mengen in Hamburg belässt, es aber eher wahrscheinlich erscheint, dass Cosco noch mehr Container von und nach China über Hamburg routet." Aber auch Antwerpen und Rotterdam bleiben starke Konkurrenten. Damit die deutschen Häfen im internationalen Wettbewerb nicht abgehängt werden, gibt es Forderungen nach einer stärkeren Zusammenarbeit bis hin zu einer gesellschaftlichen Verflechtung deutscher Terminalbetreiber. Gespräche hat es dazu zwischen der HHLA und Eurogate (Terminalbetreiber in Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven) gegeben. "Über eine bessere Auslastung lassen sich Synergien in der Zusammenarbeit finden und Produktivitätsgewinne erzielen", sagt Lemper. Und beide müssen offenbar sparen: Eurogate hat sich 84 Millionen Euro zum Ziel gesetzt, bei der HHLA wurden im letzten Jahr 50 Millionen genannt. Lemper hält eine engere Verzahnung jedenfalls für zweckdienlich, um den Abstand zu den Westhäfen zu verkürzen. "Eine gesellschaftliche Verflechtung beider Unternehmen könnte schon eine sehr attraktive Lösung sein", so der Experte. Mehr zum Thema finden Sie unter #HapagLloyd www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Wie wettbewerbsfähig sind die deutschen Nordseehäfen (noch)? Sicher muss man den Teufel nicht an die Wand malen. Aber: Gegenüber Antwerpen und Rotterdam verlieren sie Marktanteile. Nicht zuletzt deshalb holen sich die Terminalbetreiber Reedereien als Anteilseigner mit ins Boot. Schiffstau vor den Häfen und extrem hohe Frachtpreise Die Inflation in Deutschland ist nichts im Vergleich dazu, was sich derzeit auf den Weltmeeren abspielt."Im letzten Sommer wurden für einen 40-Fuß-Container von Asien nach Europa etwa 1700 Dollar gezahlt, jetzt liegt der Preis bei 15.000 Dollar", sagt Professor Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik. Eine solche rasante Entwicklung habe es in der Seeschifffahrt noch nicht gegeben. Einerseits läge das an der hohen Nachfrage. Andererseits aber auch an den Staus vor und in den Häfen. Das ist ein weltweites Problem. Laut dem Stauindex von Clarksons befanden sich Mitte Oktober 37,3 Prozent der weltweiten Containerflotte in oder vor Häfen. Vor Corona (2016 bis 2019) betrug dieser Wert im Durchschnitt nur 31,4 Prozent. Hapag Lloyd hat zwölf neue Schiffe mit 23.500 TEU bestellt Den Reedereien wird immer wieder vorgeworfen, sie würden absichtlich die Kapazität geringhalten und langsam fahren, um so die Frachtraten auf einem hohen Niveau zu halten. Bei Hapag Lloyd verwehrt man sich gegen diesen Vorwurf."Wir wünschen uns schnellstmöglich mehr Normalität zurück", sagte ein Hapag-Lloyd-Sprecher. Er sieht die Engpässe "zurzeit insbesondere bei der landseitigen Infrastruktur, einschließlich Häfen, Terminals, Depots und im Schienenverkehr". Hapag Lloyd bleibt aber auch nicht untätig und hat zwölf neue 23.500 TEU-Schiffe bestellt, die aber erst ab dem Jahr 2023 ausgeliefert werden sollen. Zudem hat das Unternehmen 625.000 TEU an neuen Containern geordert. Aber: Mit einer Entspannung rechnet Hapag nicht vor dem chinesischen Neujahrsfest am 1. Februar 2022. cd

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