Smarter Kosten sparen

In volkswirtschaftlich angespannten Zeiten mit volatilen Nachfrage- und Preisstrukturen wie derzeit in der Corona-Pandemie ist die Bereitstellung und Auslastung von Transportkapazitäten für die Logistik mit hohem Kostendruck und geringen Margen verbunden. Zudem müssen - gerade auch bei internationalen Logistikleistungen - Zoll- und regulatorische Vorschriften beachtet, gesetzliche Pflichten erfüllt und leistungsstarke IT betrieben werden, was mit Aufwand und Kosten verbunden ist. Zumal schon in naher Zukunft die Kosten für deutsche Logistiker durch neue gesetzliche Bestimmungen und den gesellschaftlichen Druck in Bezug auf Nachhaltigkeit weiter steigen werden. Bereits vom Gesetzgeber beschlossen ist die Einführung einer CO2-Bepreisung auf fossile Brennstoffe ab Januar 2021, die vor allem den Verkehrssektor treffen wird. Zudem wird auf nationaler und EU-Ebene aktuell über die Einführung eines Lieferkettengesetzes diskutiert, das die Unternehmen verpflichten würde, über ihre Lieferketten hinweg soziale und ethische Standards einzuhalten (siehe Seite 6 ff.). Als zusätzliche Kostentreiber erhöhen Themen wie Brexit, Handelskonflikte und Wirtschaftssanktionen durch eine tendenzielle Deglobalisierung die Komplexität der Logistikbranche und den Investitionsbedarf in Risikomanagementsystemen. Angesichts dieser vielfältigen Herausforderungen nimmt das Thema Kostenoptimierung eine wachsende Bedeutung für die Logistikbranche ein. Im Folgenden werden daher einige wesentliche Top-Trends skizziert, die Ausgangspunkt struktureller Kostenreduzierungen für die Logistiker sein können. Trend 1: Vernetzte Lieferketten Durch die zunehmende Vernetzung von administrativen und operativen Transportprozessen mittels digitaler Technologie können die Lieferketten der Zukunft effektiver gestaltet und operative Kosten gesenkt werden. Echtzeit-Monitoring mittels IoT-Sensoren (Iot steht für Internet der Dinge - die Redaktion) an Frachtstücken ermöglicht es Logistikern, Kapazitäten zu optimieren, frühzeitig Verzögerungen zu identifizieren und zeitnah auf Probleme zu reagieren. Die erhöhte Datendichte entlang der Lieferketten ermöglicht zudem für alle Teilnehmer der Lieferkette ein besseres Exception Management. Sofern die technischen Grundlagen dies erlauben, kann über "Process Mining" auch eine automatisierte Analyse von Prozessabläufen und Warnungen bei Abweichungen erfolgen. Eine schnelle und transparente Bereitstellung von Informationen (begünstigt etwa durch zunehmend kostengünstigere Sensor- und Monitoring-Lösungen) erlaubt schließlich auch die Senkung von Kosten zur Erfüllung regulatorischer Auflagen. Trend 2: Künstliche Intelligenz Die Nutzung KI-basierter Technologien bietet die Möglichkeit, insbesondere die Prozesskosten bei Transport und Logistik effektiv zu senken. So können durch intelligente und selbstlernende Systeme Teile von Transportprozessen substanziell automatisiert und verschlankt werden. Zudem ermöglichen Technologien zum maschinellen Lesen und Erfassen von strukturierten wie nicht-strukturierten Daten eine schnellere und kostengünstige Erfassung und Verarbeitung von Fracht-Dokumenten. Ein weiteres branchenspezifisches Anwendungsfeld von KI liegt im Bereich "Predictive Analytics", also der Datenanalyse zur Ableitung proaktiver Handlungsempfehlungen. Kostenoptimierungspotenziale ergeben sich hier etwa durch die Prognose von Verkehrsströmen im Lieferzeitraum und eine damit verbundene dynamische Routenplanung. Predictive Analytics können aber auch in der Fuhrpark- und Anlagenwartung Anwendung finden, um Wartungszyklen und Stillstand zu optimieren. Trend 3: Big Data Analytics Die automatisierte Auswertung großer Datenmengen bietet das Potenzial, in Kombination mit anderen Trends wie KI oder Echtzeit-Monitoring ein besseres und umfassenderes Bild der Lieferketten zu gewinnen. Die digitale Auswertung, Visualisierung und Bereitstellung der Daten kann zu schlankeren Verwaltungsprozessen beitragen und auch die Erfüllung von Berichtspflichten vereinfachen. Ein bedeutendes Einsparungspotential liegt insoweit auch in der Korrelation großer Datenmengen aus dem eigenen Unternehmensumfeld und/oder Ökosystemdaten: So können Zustelldaten für die Kalkulation und Optimierung von Hitrates auf der letzten Meile herangezogen werden, wohingegen die Auswertung von Routen- und Verbrauchsdaten Aufschluss über die Rentabilität einzelner Relationen geben kann. Zwingende Voraussetzung für erfolgreiche Datenanalysen ist eine zumindest anteilig vereinheitlichte und strukturierte digitale Datenhaltung. Trend 4: Blockchain Die Blockchain-Technologie bietet eine dezentrale Lösung für eine sichere und transparente Dokumentation von Transaktionen. Dementsprechend kann die Technologie auch bei Handels- und Warenströmen Anwendung finden. Ein unternehmensübergreifender Einsatz kann gerade in der bürokratielastigen grenzüberschreitenden Logistik durch die eindeutige Verifikation der einzelnen Teilnehmer der Lieferkette und die Digitalisierung von Fracht- und Zolldokumenten das Vertrauen unter den Geschäftspartnern erhöhen. Daneben werden die operativen Prozesse durch die zunehmende Digitalisierung von Dokumenten, Verträgen und Zertifikaten weniger zeitaufwendig und sind somit kosteneffizienter zu gestalten. Vergleichbar etwa mit der Cloud-Technologie, bietet der Einsatz von Blockchain die Möglichkeit, IT-Infrastruktur aus der eigenen Organisation auszulagern und durch Skaleneffekte Prozesskosten einzusparen. Trend 5: Prozesssimulation Mit digitalen Zwillingen (digital twins) können Objekte und Prozesse zu Simulationszwecken virtuell dupliziert und so etwa schon vor Baubeginn Szenarien für weitgehend automatisierte Warenhäuser oder Umschlag- und Verladepunkte getestet oder aber auf prognostizierte Nutzungsmuster und -prozesse ausgerichtet werden. Derartig geplante logistische Anlagen weisen regelmäßig günstigere Betriebs- und Prozesskosten als konventionell geplante Objekte auf. Darüber hinaus können auch die komplette Lieferkette als digitaler Zwilling virtualisiert und Optimierungspotenziale durch Simulationen erschlossen werden, etwa durch das Aufzeigen von bisher unbekannten Engpässen, Bruchstellen oder unnötigen Doppelstrukturen. Trend 6: Robotik & Automatisierung Robotik-Anwendungen bieten vielfältige Potenziale zur Kostenoptimierung in der Logistik. So sind Roboter ein Kernelement neuartiger Warenhauskonzepte, in denen die Warenverräumung und -sortierung, die Intralogistik und Verpackung automatisiert erfolgen. Durch den Einsatz von Robotern können menschliche Arbeitskräfte in ihren Aufgaben entlastet und für komplexere Prozesse eingesetzt werden. Zudem können robotergestützte Systeme ohne Berücksichtigung von Arbeitszeitgrenzen betrieben werden, was eine bessere Anlagen-Auslastung ermöglicht. Mittels moderner Sensorik und KI ist es wahrscheinlich, dass Roboter diese Prozesse in nicht allzu ferner Zukunft weitaus effizienter und kostensparender erledigen. Ein weiterer Vorteil der Robotik ist ihre prinzipielle Skalierbarkeit: Im Rahmen der technischen Möglichkeiten können sowohl Lösungen für einzelne Warenhäuser, Mikro-Lösungen für kleine City-Hubs, aber auch gigantische Systeme für Häfen realisiert werden. Damit sind Roboter trotz ihrer individuellen, auf das jeweilige Nutzungsprofil zugeschnittenen Designs umfassend einsetzbar. Automatisierung kann auch in der digitalen Arena erfolgen. Digitale Bots können im Zuge einer "Robot Process Automation" (RPA) Verwaltungs- und repetitive Systemarbeit durch einfache Click-Skripte kostengünstig automatisieren und so auch hier Mitarbeitern Freiraum für die Wahrnehmung komplexerer Aufgaben schaffen. Nachhaltige Kostenoptimierung Die Herausforderungen im Güterverkehr sind in Zeiten der andauernden Pandemie vielfältig. Einzelne Modalitäten und Endkunden-Industrien sind von der Krise unterschiedlich stark betroffen, was differenzierte Reaktionen auf die zum Teil angespannten Umsatz- und Kostensituationen einzelner Unternehmen erforderlich macht. Entscheidend für eine erfolgreiche Anpassung bestehender Geschäftsmodelle an die neue Realität sind daher in erster Linie ein risikoorientiertes Investitionsverhalten sowie eine intelligente Identifikation und Steuerung von Kosten. Die beschriebenen Trends sind meist technologiegetrieben und setzen zum Teil Investitionen in neue technische Infrastruktur voraus oder sind abhängig von unternehmensübergreifenden Initiativen. Einige Technologien wie RPA, Big Data Analytics und Prozesssimulationen können jedoch auch in Krisenzeiten ohne signifikanten Zusatzaufwand zur Kostenreduktion eingesetzt werden. Während die beschriebenen Trends Ansatzpunkte für eine strukturelle (perspektivische) Kostenreduzierung bieten, sehen sich viele Transport- und Logistikunternehmen aktuell ganz unmittelbaren operativen Herausforderungen gegenüber. Dies zeigt auch der aktuelle KPMG Future Readiness Index, eine im Jahresturnus durchgeführte branchenübergreifende Befragung. Demnach sehen die befragten Transport- und Logistikbetriebe die Stabilisierung der eigenen Finanzlage und die Durchführung von Investitionen in Risikomanagementsysteme als prioritäre Themen für das Jahr 2021. Eine nachhaltige Kostenoptimierung der Lieferketten wird daher nur bei einer sachgerechten Kombination aus kurzfristigem Management der krisenbedingten Herausforderungen und gezielter Investition in relevante Zukunftstrends gelingen. Autor - Steffen Wagner Global Head of Transport & Leisure, KPMG Steffen Wagner hat Wirtschafts- und Finanzwissenschaften an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt und an der Université Paris-IX Dauphine studiert. 1997 trat er in die Corporate Finance-Praxis von KPMG Deutschland ein und promovierte parallel dazu in Frankreich im Bereich Accounting. 2004 wurde er Partner von KPMG Deutschland. Zusätzlich ist er Leiter des Bereichs Transport & Leisure bei KPMG International sowie Deutschland und verantwortlich für alle Aktivitäten in den Bereichen Transport, Logistik, Schifffahrt, Luftfahrt und Tourismus. Wagner ist Dozent an der Fakultät für Rechnungswesen und Kapitalmärkte der Universität Mannheim.

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