Rettung in der Not

Nicht nur die Chefetagen großer Konzerne, auch leitende Angestellte, Compliance-Manager und Generalbevollmächtigte in kleinen und mittleren Betrieben werden in den kommenden Monaten mit Schadenersatzforderungen konfrontiert werden, prognostizieren Experten. Denn mit der Corona-Krise ändert sich die Risikolandschaft, die sie im Blick behalten müssen, fortlaufend. Bei Fehlentscheidungen haften Verantwortliche unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen. Laut Michael Staschik, Leiter Haftpflichtgewerbe bei der Nürnberger Versicherung, umfasst die Haftung auch Entscheidungen von Managern aus anderen Ressorts sowie solche, die Jahre zurückliegen. Die Schäden gehen oft in die Millionen. Zudem werden Entscheider schon seit Jahren für ihre Fehler verstärkt zur Rechenschaft gezogen. "Die Klagementalität hat sich verändert", berichtet Marcel Roeder vom Versicherungsmakler Aon in Mülheim/Ruhr. Hinzu kommt, dass neue Gesetze die Haftungssituation in den letzten Jahren erheblich verschärft haben. Schutz vor entsprechenden Haftungsfällen bietet die "Directors & Officers" (D&O)-Versicherung (Details siehe Kasten). "80 Prozent sind hier Innenhaftungsfälle, wenn das Unternehmen also Ansprüche gegenüber seinem Manager erhebt", so Martin Schiel, Prokurist und Chef-Underwriter bei der R+V Allgemeine Versicherung in Wiesbaden. Rückwärtsversicherung wichtig Weil Schadenforderungen oft erst Jahre später aufkommen, sollte die Police eine Rückwärtsversicherung enthalten, empfiehlt Staschik von der Nürnberger. Zudem sei der Versicherungsschutz regelmäßig dem aktuellen Bedarf anzupassen. Wächst das Unternehmen stark oder baut es Stellen ab? Gibt es neu zu versichernde Risiken? Volker Helmhagen, Leiter des Produktmanagements bei der Nürnberger, weiß: "Unter- oder Überversicherung können zu vermeidbaren Zusatzkosten führen." Umgekehrt könne auch die Versicherung die Bedingungen anpassen. Aktuell planen einige Anbieter entsprechende Änderungskündigungen zum Jahresende, die meist im September kommuniziert werden. "Ändern sich die Konditionen, könnte sich - mit Blick auf die Nachmeldefristen - ein Wechsel zu einem anderen Produkt lohnen", so Helmhagen. Sofern man denn so einfach eine neue D&O bekommt. Denn der Markt ist unter Druck: Manche Versicherer ziehen sich aus dem Geschäft zurück, erhöhen Prämien, zeichnen Versichungssummen herunter oder passen ihre Konditionen an. "Die Prämien müssen anziehen wegen der Ertragslage: Laut der GDV-Statistik 2019 liegt die Zahlquote bei 112 Prozent. Hinzu kommen noch die Kosten der Versicherer, die im D&O-Bereich tief in die roten Zahlen gerutscht sind", sagt dazu Schiel von der R+V. Dass die Prämien schon seit Mitte 2018 kräftig anziehen, nachdem sie seit 2002 im Sinkflug waren, berichtet Roeder von Aon. "Bestimmte Branchen werden pauschal sehr schlecht bewertet. Fluggesellschaften etwa zählten auch vor Corona dazu", ergänzt der D&O-Experte. Die Speditions- und Logistikbranche nimmt der Makler nicht als Krisenbranche wahr, das könne aber im Einzelfall anders bewertet werden. Zunehmend erwartet er zudem covid-spezifische Ausschlüsse. Aussetzung der Insolvenzantragspflicht Das gesamte D&O-Beitragsvolumen schätzt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV hierzulande auf rund 500 Millionen Euro. Sie machen damit nur einen geringen Anteil am gesamten Versicherungsmarkt aus (2019: 217,2 Mrd. Euro), sind aber großschadengeneigt. Problematisch im Corona-Kontext sind laut dem GDV manche Sonderregelungen. So haftet ein Geschäftsführer normalerweise persönlich für alle Zahlungen, die nach dem Eintritt der Insolvenzreife anfallen, wenn er nicht rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellt (§64 GmbH-Gesetz). Bis Ende September ist die Insolvenzantragspflicht nun ausgesetzt und es gelten modifizierte Regeln zur persönlichen Haftung für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife. Das führt zu erheblichen Rechtsunsicherheiten für Geschäftsführer und Vorstände. Die zu erwartenden Rechtsstreitigkeiten bergen aus GDV-Sicht für die D&O-Versicherer das Risiko hoher Schadenzahlungen, teilt der Verband mit. Dabei sind solche Ansprüche nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. Juli 2018 nicht automatisch in der D&O versichert. "Deshalb haben die Versicherer teils ihre Lösungen erweitert um Paragraf 64, es gibt aber auch Bedingungseinschränkungen bis hin zum Insolvenzausschluss", warnt Roeder. Darauf sei beim Abschluss einer D&O-Police besonders zu achten. Laut dem Makler werden die Prämien weiter merklich steigen. Dennoch hält er die Absicherung für "unbedingt empfehlenswert". Mehr zum Thema finden Sie unter #Versicherungen www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Erst der wirtschaftliche Abschwung durch Corona, nun die Skandale bei Wirecard und Tönnies - aber auch Verantwortliche in klein- und mittelständischen Betrieben könnten sich in den nächsten Monaten mit Schadenersatzforderungen konfrontiert sehen. Damit rückt die Managerhaftpflicht in den Fokus. Was ist eine D&O-Versicherung? D&O-Firmenversicherungen (engl.:"Director´s and Officer´s Liability Insurance") sind ein Dreiecksgeschäft: Mit dem Abschluss einer Police versichert das Unternehmen seine Manager gegen Haftungsansprüche, die es selbst einmal gegen sie geltend machen könnte (Innenhaftung), aber auch gegen Ansprüche von außen, etwa durch Kunden, Lieferanten, Geschäftspartner, anderen Unternehmen sowie von Mitarbeitern oder Behörden (Außenhaftung). Jeder Entscheidungsträger kann zusätzlich für sich eine eigene Police abschließen. Eine persönliche D&O-Versicherung kann beispielsweise einen vereinbarten Selbstbehalt abdecken. Versichert sind immer Ansprüche, die innerhalb der Versicherungsperiode oder einer vertraglich vereinbarten Nachhaftungsfrist geltend gemacht werden. Darüber hinaus übernimmt die Versicherung Kosten für Anwälte, Gutachter und Gerichtsverfahren, um unberechtigte Ansprüche gegen den Manager abzuwehren (Abwehrkosten). Der Schutz ist auf fahrlässige Pflichtverletzungen begrenzt. Da ein Vorsatz jedoch in aller Regel erst in einem Gerichtsverfahren festgestellt wird, übernimmt die Versicherung zunächst die Rechtskosten des versicherten Managers. Erst wenn rechtskräftig festgestellt wurde, dass ihm Vorsatz oder eine wissentliche Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, entfällt der Versicherungsschutz rückwirkend. Auch das unternehmerische Risiko kann nicht durch eine D&O-Versicherung ausgelagert werden. Sie ist keine Vollkasko-Versicherung gegen Verluste oder Management-Fehler.(Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV)

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