Planungssicherheit an der Zapfsäule

Wie tanke ich als Transportunternehmer günstig? Da mag sich mancher denken: Es gibt in diesen pandemischen Zeiten vielleicht Wichtigeres als den peniblen Blick auf den Dieselpreis, denn der ist aktuell moderat. Gerade einmal rund 80 Cent zahlten Großabnehmer im Mai laut Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) für den Liter. Der Kurs ist allerdings schon wieder gestiegen (siehe Grafik). Wie sich die Preise in den nächsten Monaten entwickeln werden, dürfte eine Frage für die Glaskugel sein - zu divers fallen die Prognosen der Rohstoffanalysten aus. Wie können also Strategien aussehen, an der Zapfsäule zumindest etwas Planungssicherheit zu haben und gleichzeitig von guten Konditionen zu profitieren? Beim Händler des Vertrauens Kontingente kaufen? Eine Hoftankstelle eröffnen? Mit Finanzprodukten auf steigende Preise wetten? Oder sich mit Partnern zusammentun? Letztere Variante hat Scharf Transport mit Hauptsitz in Lohfelden bei Kassel umgesetzt. 2019 ist der Mittelständler mit rund 380 ziehenden Einheiten als Gesellschafter bei VTM eingestiegen. Das Tankstellennetzwerk richtet sich sowohl an private Pkw-Besitzer als auch Großabnehmer wie Speditionen und bietet unter anderem Kraftstoffkontingente zu günstigen, per Spezialsoftware ermittelten Festpreisen an. Damit folgte Scharf dem Logistikdienstleister L.I.T. aus Brake, der sich dem Netzwerk mit fünf Tankstellen angeschlossen hat. Einkauf, Buchhaltung, Rechnungstellung, Risikomanagement und Controlling übernimmt für alle Beteiligten jeweils VTM fair. In diesen Tagen hat Scharf am Standort Kassel eine eigene Tankstelle eröffnet. Bevor sie in das Netzwerk eingestiegen ist, hat die Spedition mit einem örtlichen Mineralölhändler einen Vertrag über den Bezug von Kraftstoff zu OMR-Preisen (Oil Market Report) mit den üblichen Aufschlägen abgeschlossen. "Irgendwann beginnt man dann mal nachzurechnen und merkt, dass man zu teuer kauft", erklärt Geschäftsführer Ulrich Scharf. Einkaufsmengen bündeln "Der Einkauf von Kraftstoff birgt für Transportunternehmer ein hohes Einsparpotenzial", betont auch Stefan Rettberg, Verwaltungsratsvorsitzender von Swiss Kiss Petrol, dem EDV-Partner von VTM fair mit Sitz in Luzern. Die Nachfrage sei daher hoch - in den nächsten zwei Jahren soll das Netz von aktuell acht auf bis zu 100 Tankstellen wachsen. Rettbergs Hauptargument: Wer zu den vom unabhängigen Informationsdienst Oil Market Report ermittelten Preisen einkaufen will, müsse in der Regel eine gewisse Mindestabnahmemenge vorweisen. "Wir bündeln die Einkaufsmengen aller Partner und können so am Markt die individuell besten Konditionen auch für kleinere Speditionen erzielen", sagt Rettberg und stellt zwei bis drei Cent Ersparnis pro Liter in Aussicht. Man sei zudem der Einzige am Markt, der auch Nicht-Tankstellenbesitzern in diesem Ausmaß den Bezug von Kraftstoffkontingenten anbiete. "Wenn Herr Scharf also in Kassel seine neue Tankstelle in Betrieb nimmt, ist es für umliegende Speditionen genauso möglich, dort Kraftstoff zu Konditionen zu beziehen, die sonst nur einem Tankstellenbesitzer offenstehen", sagt Rettberg. Eine Mindestabnahmemenge gebe es dabei nicht, die Preisgestaltung richte sich nach Abrechnungszeitraum und Zahlungsziel. Für Spediteur Scharf passt das Netzwerk mit seinen aktuell bundesweit acht Tankstellen gut in den Betankungsalltag. "Die geografische Lage spielt uns natürlich in die Karten", so Scharf. Die Lkw kommen demnach mindestens ein, zwei Mal die Woche in Kassel vorbei, in 90 Prozent aller Fälle wird also an der Haustankstelle betankt. "In allen anderen Fällen können die Fahrer an allen teilnehmenden Tankstellen zu unseren eigenen Konditionen tanken, was oftmals eine Ersparnis von 15 bis 20 Cent pro Liter im Vergleich zur Unterwegsbetankung an der Autobahn ausmacht", freut sich der Spediteur. Sein Fazit: "Durch den Anschluss an das VTM-fair-Netzwerk haben wir bislang in 99 Prozent der Fälle die besten Preise am Markt erzielt." Ein Unternehmen, bei dem das Thema Dieseleinkauf nicht mehr den allergrößten strategischen Stellenwert besitzt, ist dagegen die Spedition Edgar Graß. Das Unternehmen mit Sitz im mittelhessischen Beselich-Schupbach ist spezialisiert auf Transporte von silofähigen Gütern und Flüssigkeiten, der Fuhrpark umfasst 70 ziehende Einheiten. "Mit Diesel beschäftige ich mich gar nicht mehr so intensiv, ich bin dabei, das Thema LNG weiter auszubauen", sagt Geschäftsführer Alexander Kay Steinberg. Demnach werden mit dem nächsten Jahreswechsel etwa 40 Prozent des Fuhrparks auf Flüssiggas umgestellt sein, der weitere Ausbau sei geplant. Insgesamt benötigt die Flotte im Jahr rund 2,7 Millionen Liter Kraftstoff inklusive LNG, "wenn man die Einheiten Liter und Kilo einfach mal gleichsetzt", so Steinberg. Beim Diesel arbeite man größtenteils mit Kontingenten. "Wir kaufen Kontingentsmengen ein, auf deren Basis wir auch kalkulieren und fixe Frachten für den gleichen Zeitraum mit unseren Kunden verhandeln", erklärt Steinberg. Rund 30 Prozent des Beschaffungsmixes werden für Unterwegstankungen sowie Auslastungsschwankungen offen gelassen. Faktor Nutzlast und Reichweite "Die Kombination zwischen Kontingent und Unterwegstankungen ergibt sich nur aus den Reichweiten", betont Steinberg. Im Silo- und Tankbereich sei die Nutzlast ein entscheidender Faktor, das mache auf weiten Strecken Unterwegstankungen notwendig. "Wir versuchen das Gros aber an unserer Haustankstelle beziehungsweise an den Tankpunkten unseres Lieferanten abzudecken", so Steinberg. Unterwegs werde auch nicht vollgetankt, sondern nur so viel, dass die Fahrer wieder nach Hause kommen. Dafür können sie auf verschiedene Tankkarten zurückgreifen. "Natürlich kann man akribisch die Konditionen der Tankkarten oder die Tagespreise von einzelnen Tankstellen analysieren - wenn große Umwege für 50 Liter Diesel gefahren werden, ist die Ersparnis von wenigen Cent pro Liter aber auch schnell wieder weg", sagt Steinberg. Die Hoftankstelle nutzt die Spedition übrigens nur für den eigenen Bedarf - "und als Verhandlungsgrundlage beim Einkauf", wie Steinberg betont. Sie für Dritte zu öffnen sei keine Option gewesen, weil die Standortfaktoren nicht ideal seien. Wer sich über den Finanzmarkt gegen steigende Dieselpreise absichern will, kann sich mit Hedging-Geschäften befassen. Mit solchen Kurssicherungsinstrumenten, darunter so genannte Swaps, kann man sich von einem Finanzdienstleister den Kraftstoffpreis für einen bestimmten Zeitraum garantieren lassen. Steigt der Marktpreis, gibt es vom Finanzanbieter eine Ausgleichszahlung. Das Swap-Prinzip funktioniert jedoch auch umgekehrt: Bei sinkenden Preisen werden Ausgleichszahlungen zulasten des Unternehmers fällig. Diesel-Hedging nur für ganz Risikoaffine "Das Hedging von Kraftstoff für längere Zeiträume ist immer risikobehaftet. Da haben sich schon viele Unternehmer verspekuliert", sagt Rettberg. Auch Spediteur Scharf hat seine Erfahrungen gemacht: Er habe in der Vergangenheit einmal über ein Swap-Geschäft das Dieselkontingent für ein ganzes Jahr eingekauft und hatte dann das Pech, dass die Preise deutlich gefallen sind. "Ich habe also vergleichsweise teuer getankt, während aufgrund des gesunkenen Dieselpreises die Frachtraten gesunken sind", erklärt der Unternehmer. Dass solche Finanzinstrumente ein unverhältnismäßiges Risiko mit sich bringen, sieht Graß-Geschäftsführer Steinberg ähnlich: "Mit Swaps oder anderen Instrumenten arbeite ich nicht." Man könne das zwar durchaus als risikoaffiner Spekulant betreiben. Damit den Einkauf in einer Sparte wie dem Straßengütertransport mit traditionell sehr geringen Margen abzusichern, passe aber nicht zusammen. "Das hat mit dem Fuhrgeschäft ebenso wenig zu tun wie ein örtlicher Bäcker, der Warentermingeschäfte mit Weizen abschließt", sagt Steinberg. Mehr zum Thema finden Sie unter #Kraftstoffkosten www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Das Tankstellennetzwerk VTM fair spricht kleine und mittlere Speditionen an, um günstige Dieselpreise durch Einkaufsmengenbündelung weiterzugeben. Andere Unternehmer setzen auf die Kombination von Hoftankstelle und Unterwegsbetankung.

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