Gute Karten - für höhere Preise

Der Sommer geht, und die Preisgespräche von Verladern und Transportdienstleistern stehen wieder vor der Tür. Die gute Nachricht ist: Die Verhandlungsposition vieler Transportbetriebe dürfte aktuell so gut sein wie nie zuvor. Denn Laderaum ist extrem knapp, und die Auftraggeber stehen unter Druck. Statt auf einem Termin zu beharren, fragt der eine oder andere schon "Wann können Sie denn fahren?" (siehe Kasten auf S. 24). Die Gesetze der Marktwirtschaft diktieren, diese Verhandlungsmacht jetzt zu nutzen und deutliche Preiserhöhungen durchzusetzen - ist diese Taktik empfehlenswert? Und welche Argumente überzeugen die Verlader? Experten empfehlen, die Forderungen grundsätzlich an den jeweiligen Kunden anzupassen. "Bei großen Auftraggebern würde ich moderat vorgehen und die Preise um zwei bis drei Prozent anheben", rät Roland Stelz von "Die Speditionsberater" in Münzenberg. Der Grund: Wer den Großkunden jetzt durch überzogene Forderungen schockiert, beschädigt nicht nur das Verhältnis, sondern riskiert, dass der Geschäftspartner komplett abwinkt und den Auftrag neu ausschreibt. Bei B-Kunden könne die Forderung auch höher ausfallen - vier bis fünf Prozent, meint Stelz. "Auf dem Spotmarkt dagegen lassen sich auch Preissteigerungen bis in den zweistelligen Prozentbereich durchsetzen." Ein Muss: nachvollziehbare Kalkulation "In jedem Fall ist es wichtig, dass Sie gut vorbereitet in das Gespräch gehen", betont Hans Ulrich Schneider, Unternehmensberater aus Speyer. Er selbst hat Logistikunternehmen in Frankfurt am Main, Düsseldorf und im polnischen Posen geleitet und selbst mit internationalen Konzernen verhandelt. Gute Zahlen im Gepäck stellten sich dabei oft als Erfolgsfaktor heraus. "Bringen Sie deshalb eine nachvollziehbare Preiskalkulation mit - am besten mit Beispielen - und machen Sie sich auf Rückfragen gefasst", betont der Berater, der auch als Dozent an der SRH Hochschule in Heidelberg tätig ist. Er empfiehlt auch einen Controller oder anderen Finanzprofi, der anhand von Zahlen argumentieren kann, zu den Preisgesprächen mitzunehmen. Berater Stelz betont diesen Punkt ebenfalls. "Erstellen Sie vor der Verhandlung eine genaue Ergebnisrechnung." Für jede Relation, jede Sendungsstufe und jedes Gebiet sollte die Wirtschaftlichkeit überprüft werden. "Zu viele Spediteure verlassen sich hier auf ihr Bauchgefühl." Es gilt: Nur wer weiß, wie er dasteht, kann Einwände entkräften und stellt sicher, dass er ein auskömmliches Geschäft macht. "Preiserhöhungen müssen nachvollziehbar sein", betont Dirk Beese von Logicost in Hamburg, einer Beratungsfirma, die sich auf Logistikkosten spezialisiert hat. Er sitzt oft in Vertragsverhandlungen mit am Tisch und kennt deshalb die Sicht der Verlader. "Die Unternehmen müssen erhöhte Kosten auch an ihre Kunden weitergeben und brauchen dafür Argumente." Deshalb sei es wichtig, dass der Transportunternehmer eine Preiserhöhung gut begründen kann. Zu den Fallen, in die Transporteure bei Verhandlungen immer wieder tappen, gehören "Free Lunches", wie Berater Schneider diese nennt. Sprich: Um den Auftragszuschlag zu erhalten, bietet man dem Kunden an, bestimmte Nebenleistungen kostenlos zu erbringen, etwa Retourenabwicklung oder Leergutdisposition. Solche Gratis-Arbeiten sind aber oft aufwendiger als gedacht und schmälern den Gewinn. "Beim Satz 'Das können Sie doch mitmachen' sollte man hellhörig werden", warnt er. Zudem sollten Transportbetriebe darauf bestehen, dass der Auftraggeber verlässliche Angaben zu den zu erwartenden Mengen macht. "Hier wird häufig mehr versprochen, als man in der Praxis einlöst", beobachtet Schneider. Dann stimme unter Umständen die Kalkulation nicht mehr, und das Geschäft drohe unrentabel zu werden. Forderungen der Verlader, unter Tariflohn zu bezahlen, sollten daher rundweg abgelehnt werden, so der Berater. Gerade wenn die Volumina - wie aktuell - Achterbahn fahren, helfen auch variable Preise, die mit der Konjunktur gehen. Diesel-Floater etwa sollten Standard sein. "Nach der Bundestagswahl ist mit weiteren Belastungen zu rechnen", warnt Schneider. Der im Januar eingeführte CO2-Preis von zehn Euro pro Tonne Treibhausgas - er hat Diesel um acht Cent verteuert - ist erst der Anfang. Bis 2026 könnte sich der Aufschlag mehr als verdreifachen. Die Nutzung eines Diesel-Floaters ist daher mehr denn je angezeigt. Personalkosten-Floater gezielt nutzen Zudem ist absehbar, dass die Personalkosten steigen. Verdienten laut dem Statistischen Bundesamt Mitarbeiter in Straßengüterverkehrsbetrieben in 2019 im Schnitt 2624 Euro brutto pro Monat (ohne Sonderzahlungen), rechnen Experten damit, dass die 3000-Euro-Grenze in diesem Jahr durchbrochen wird. Stelz regt daher an, einen Personalkosten-Floater in die Verträge aufzunehmen. Dieses Instrument ist lange bekannt, wird aber bislang kaum genutzt. Der Zuschlag lässt sich zum Beispiel so umsetzen: Dem Kunden werden die Personalkosten gesondert in Rechnung gestellt und an einen Lohnkostenindex gekoppelt, wie ihn etwa das Statistische Bundesamt erhebt. Steigen die Reallöhne nach Vertragsabschluss zum Beispiel um fünf Prozent, zahlt der Verlader entsprechend mehr. Kostenberater Beese kritisiert, dass Transportfirmen oft nur über höhere Preise reden, aber nur selten über mögliche Einsparungen. "Dabei haben sie meist die besseren Daten dafür." Ein Beispiel aus seiner Praxis: Eine Spedition lädt die Ware beim Kunden mit dem Fahrer selber. Das hat sich seit Jahren bewährt. Allerdings stiegen in dieser Zeit auch die Fahrerlöhne, und es wäre für beide Seiten von Vorteil, wenn ein Mitarbeiter des Kunden das Beladen übernähme. "Die Verlader erwarten zunehmend, dass solche Vorschläge gemacht werden", weiß Beese. Trotz der aktuell guten Verhandlungsposition sollten sich Transporteure auf einer durchgesetzten Preiserhöhung nicht ausruhen. Langfristiges Ziel sollte vielmehr sein, sich dem reinen Preiswettbewerb zu entziehen. Darauf verweist Berater Stelz. "Der Königsweg ist, nicht vergleichbar zu sein, und etwas anzubieten, das die anderen nicht können." Prognosedaten verbessern Planbarkeit "Zu den Lehren aus Corona gehört, dass die Abstimmung zwischen Industrie, Speditionen und Kunden verbessert werden muss", sagt Heliodor Rawski, Leiter SCM Logistics bei Frosta in Bremerhaven. Der Tiefkühlkostspezialist beliefert Einzelhandel und Gastronomie und arbeitet mit einem Dutzend mittelständischer Transportbetriebe. Manche seien derzeit überfordert, sagt Rawski. "Es gibt Servicelevel, wie ich sie noch nie erlebt habe." Einige Probleme ließen sich mit besseren Informationsflüssen lösen. "Wenn ein Sammelgutbeförderer sein Netzwerk ausgelastet hat und keine Paletten mehr aufnehmen kann, sollten wir das frühzeitig erfahren." Bei der künftigen Vertragsgestaltung werde man daher darauf achten, dass Dienstleister Informationen in Echtzeit zur Verfügung stellen können. Künftig wolle man mehr Prognosedaten austauschen und so die Planbarkeit verbessern. Auch auf Nachhaltigkeit wird Frosta künftig bei Verhandlungen stärker achten. Spediteure, die Erfahrungen mit kombinierten Verkehren haben, könnten dann im Vorteil sein. "Derzeit ist die Schiene nur wettbewerbsfähig, um Ware nach Italien zu befördern", sagt Rawski. Für zentraleuropäische Verkehre sei diese derzeit noch nicht ökonomisch, künftig vielleicht schon. "Dann würden auch weniger Fahrer gebraucht." In Kürze Erst die coronabedingte Flaute, jetzt der Mengen-Boom - diese Achterbahn erleben derzeit Logistiker und Transporteure hierzulande. Mit der Folge, dass vielerorts der Laderaum so knapp ist, dass die Kosten explodieren. Höchste Zeit, jetzt als Transportdienstleister mit Verladern über höhere Preise zu sprechen. Preisgespräche: So bringen Sie Ihre Forderungen durch - Bereiten Sie sich als Transportdienstleister intensiv auf die Verhandlung mit Verladern vor. Sie sollten wichtige Kennzahlen im Kopf haben, etwa Ihre Rendite auf den jeweiligen Relationen. Lassen Sie sich von einem Finanzexperten oder Ihrem Steuerberater begleiten. - Passen Sie Preise individuell an. Bei guten Kunden sind zwei bis drei Prozent legitim, bei B-Kunden vier bis fünf Prozent. Auf dem Spotmarkt sind derzeit auch zweistellige Aufschläge durchsetzbar. - Begründen Sie Ihre Forderungen. Beispiel: Wenn Sie höhere Preise wegen gestiegener Personalkosten fordern, sollten Sie einen Index anführen, der die Steigerung beweist. - Führen Sie automatische Zuschläge ein. Gerade vor dem Hintergrund steigender CO2-Preise sollte ein Diesel-Floater Standard sein. Daneben empfehlen sich Zuschläge für Personalkosten, die sich an der allgemeinen Lohnentwicklung orientieren. - Suchen Sie gemeinsam mit dem Verlader nach Einsparungsmöglichkeiten, von denen beide Seiten profitieren. - Bieten Sie dem Verlader mehr Informationen an. Stellen Sie Transportdaten in Echtzeit zur Verfügung und schaffen Sie automatische Schnittstellen. Informieren Sie Ihren Verhandlungspartner bei Problemen aktiv und zeitnah. cg Quelle: Beese/Logicost, Stelz/Die Speditionsberater, Schneider/Schneider Unternehmens- & Personalberatung Praxislösung: „Die Preisfindung enger takten.“ „Momentan gibt es mehr Fracht als Frachtraum“, sagt Frank Brüssel, Geschäftsführer des Bonner Logistik Service (BLS) in Meckenheim. Das Unternehmen mit 20 Sattelzügen hat sich auf Getränke, Baustoff und Stahl spezialisiert, unter den Kunden sind bekannte Namen wie Eckes oder Coca-Cola. So manchen Neuauftrag muss Brüssel deshalb ablehnen, weil einfach die Kapazitäten fehlen. „Teilweise fragen die Kunden ‚Wann können Sie?’ – das habe ich noch nie erlebt“, berichtet der Transportprofi. Dabei zieht das Unternehmen BLS alle Register: Für begrenzte Zeit wird an sechs Tagen pro Woche gefahren, und man greift auf Frachtenbörsen zurück, um Aufträge fremd zu vergeben. „Aber auf dem Spotmarkt sind die Preise auch um 30 Prozent gestiegen. Das muss der Kunde auch bereit sein zu zahlen“, betont Brüssel. Der Transportunternehmer sieht in der aktuellen Situation jedoch eine Chance, sich für die Zukunft wetterfest zu machen. „Wir konzentrieren uns auf profitable Kunden.“ Auch Preiserhöhungen seien momentan möglich, bei drei Viertel der Kunden sei die Bereitschaft da. Den seit Januar 2021 erhobenen CO2-Preis federt BLS über einen DieselFloater ab, der in fast alle Verträge aufgenommen wurde. Auch Zuschläge für Lohnkosten hält Brüssel nicht für ausgeschlossen. Die Verlader seien dazu bereit. Außerdem müsse das Ziel sein, die Preisfindung enger zu takten. „Vielleicht verhandelt man in Zukunft sogar auf Monatsbasis.“ cg Frank Brüssel, Geschäftsführer des Bonner Logistik Service (BLS)

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