Drehzahl runter!

Die erste Reaktion, die dieses Testfahrzeug auslöst? Ungläubiges Stirnrunzeln. Und zwar beim Blick auf den Drehzahlmesser, sobald der 540 S auf Reisetempo beschleunigt hat: Nur 920 Touren meldet das Rundinstrument bei 85 km/h! Ein Verdienst des neuen Getriebes, das Scania kürzlich für die V8- sowie die Reihensechszylinder-Modelle mit 500 oder 540 PS nachschob. Das "Opticruise G33CM" baut dank Vollaluminium-Bauweise laut Hersteller 60 Kilogramm leichter und kompakter als die Vorgängergeneration. Zudem soll es leiser und schneller schalten und mit bis zu 50 Prozent geringerer innerer Reibung arbeiten, wofür beispielsweise polierte Getriebebauteile sorgen. Was aber eben am meisten auffällt, sind die niedrigen Drehzahlen. Ermöglicht werden diese durch die neue Overdrive-Funktion, welche in der zwölften Fahrstufe zur Verfügung steht. Diesen "Schongang" nutzt das Getriebe, wo immer es möglich ist, und reduziert die Motorumdrehungen so von 1170/min im zwölften Gang auf momentan verbrauchssenkende 920 Touren im Overdrive. Der bekannte DC13-Reihensechszylinder hat damit überraschender Weise kein Problem, in Verbindung mit dem neuen Getriebe akzeptiert der 12,7 Liter große Motor den extremen Drehzahlkeller spürbar williger. Für die Steuerungselektronik Anlass genug, auch ihre letzten Hemmungen über Bord zu werfen und selbst bei 60 km/h auf der Landstraße ohne zu zögern den Overdrive zu verordnen - bei dann nur noch 650 Touren! Hier genügt freilich eine kräftigere Windböe, um das Getriebe wieder vom OD-Modus in den direkt übersetzten zwölften Gang zurückstufen zu lassen, bei dann 850/min. Etwas mehr Reserven stehen auf der Autobahn zur Verfügung. Erst wenn die Nadel des Drehzahlmessers die 900er-Marke unterschreitet, wird an Bergen in Gang zwölf zurückgestuft, was mit dem voll beladenen Fliegl-Testtrailer auf der Sattelplatte genügend Kräfte für alle Steigungen der VerkehrsRundschau-Testrunde mobilisiert. Das lässt Raum für weitere Spritspar-Technik in Form der dynamischen Segelfunktion namens "Puls-and-Glide". Scania schaltet sie neuerdings auch für den "entschärfteren" Standardmodus des GPS-Tempomaten (-5 Prozent) frei. Ähnlich wie Volvo, MAN und Mercedes-Benz wird hierbei in der Ebene um plus 3 km/h beschleunigt, um die Fuhre anschließend im Eco-Roll entsprechend lange verbrauchsgünstig rollen zu lassen. Anders als die Wettbewerber setzt der Scania das System aber deutlich sparsamer ein, nämlich eigentlich nur im Vorfeld von Gefällen mit entsprechend langem Rollpotenzial, wovon sich die Schweden eine höhere Akzeptanz von Puls-and-Glide in der Fahrerschaft erhoffen - sicherlich keine ganz falsche Denkweise. Neu bei Scania ist ebenfalls die nun elektronisch unterstützte Lenkung, Voraussetzung für den neuen, aktiv eingreifenden Spurwächter. Was Scania-Fahrer freuen dürfte: Wie die analoge Vorgängersteuerung vermittelt auch die neue Lenkung guten Kontakt zur Fahrbahn und wirkt in keiner Weise synthetisch - von der Marke mit dem Greif hätte man aber kaum etwas anderes erwartet. Mehr Sicherheit beim Abbiegen Ein Plus an aktiver Sicherheit bietet Scania neuerdings auch durch den Totwinkel- und Abbiegeassistenten. Letzterer sucht auf der rechten Seite nach Radfahrern oder Fußgängern und deaktiviert sich automatisch oberhalb von 36 km/h. Dagegen bleibt der Totwinkelwarner auch bei höheren Tempi aktiv und überwacht ähnlich dem System der Konzernschwester MAN beide Fahrzeugseiten nach Objekten im Gefahrenbereich. Als hilfreich erweist sich das System zusätzlich bei Überholvorgängen. Erlischt die orange leuchtende Diode in der rechten A-Säule, sind sechs Meter Distanz zum Überholten geschaffen und ein gefahrloses Wiedereinscheren gegeben. Systeme, mit denen Scania zwar keine neuen Maßstäbe setzt, aber den Anschluss an den Wettbewerb in dieser Kategorie wieder herstellt. Anders soll's in Sachen Spritverbrauch aussehen, bis zu ein Prozent Ersparnis soll das neue Getriebe bringen. Dass der 540 S den Beweis dafür bei dieser Testfahrt noch schuldig bleibt, weil er sich im VR-Ranking noch knapp hinter dem im Vorfeld getesteten 500 S mit "altem" Triebstrang einordnet, dürfte vor allem der verbrauchstreibenden Regionalbereifung geschuldet sein, auf der die Test-Zugmaschine rollte. Sicher wären hier noch einige Zehntel nach unten drin ... Superlative kann der Scania dafür schon jetzt im Rückwärtsgang vorweisen. Gleich acht an der Zahl davon hat das neue Opticruise parat, was optional ein unglaubliches Tempo von 54 km/h entgegen der Fahrtrichtung ermöglicht! Mehr zum Thema finden Sie unter #Scania www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Bislang bietet Scania das neue Opticruise-Getriebe für den V8 und die stärkeren Sechszylinder an. Im Laufe des Jahres soll aber auch für die schwächeren Motoren unterhalb von 500 PS eine getriebeseitige Neuerung kommen. Test mit Referenz-Lkw Unser Mercedes-Benz Actros 1845 mit Schmitz-Cargobull-Auflieger sorgt für vergleichbare Testergebnisse. Dafür wurde die Testrunde unter guten Wetterbedingungen abgefahren. Liegen die Verbrauchswerte des Referenz-Lkw am Testtag über oder unter diesem Wert, ist klar, dass das Testfahrzeug schlechtere oder bessere Bedingungen hatte, was sich entsprechend zurückrechnen lässt. Technische Daten Motor Sechszylinder-Reihenmotor (Scania DC13 166 540), einstufiger Turbolader, Common-Rail, Ladeluftkühlung, Euro 6d mit SCR-Only und Partikelfilter Hubraum: 12.700 cm3, Leistung: 540 PS (397 kW) bei 1800/min, max. Drehmoment: 2700 Nm bei 1000–1300/min Kraftübertragung Automatisiertes Schaltgetriebe (Scania Opticruise G33CM), synchronisiertes DreigangGrundgetriebe, Range- u. Splitgruppe, 12 Vorwärtsgänge + Overdrive-Funktion im 12. Gang, 1 x Crawler, 8 Rückwärtsgänge Hinterachsübersetzung: i = 2,59 Fahrwerk HA: 11,5-t-Hypoid-Antriebsachse (Scania AD 401 SA); Vierbalg-Luftfederung VA: gekröpfte 7,5-t-Faustachse (Scania AM 640 S); Zweiblatt-Parabelfederung Bremsen Zweikreis-Druckluftbremsanlage, Scheibenbremsen, Motorbremse: Auspuffklappe, 242 kW bei 2400/min, optional: Scania-Retarder R4700D (4700 Nm, im Test-Lkw verbaut) Maße & Gewichte Radstand: 3750 mm; L x B x H: 5960 x 2600 x 3855 mm; Leergewicht: 7422 kg (fahrfertig, ohne Fahrer, inkl. 400 l Diesel, 60 l AdBlue) Bewertung Scania 540 S Highline Motor/Antrieb (max. 140): 126Getriebe/Kupplung (max. 140): 128Bremsen (max. 120): 104Lenkung (max. 40): 36Pedale (max. 20): 16Fahrverhalten (max. 60): 51Sicht (max. 50): 43Klima/Lüftung (max. 50): 41Sitze (max. 40): 35Armaturen/Instrumente (max. 50): 44Scheibenwischer (max. 30): 24Fahrerhaus (max. 240): 200 Gesamtwertung (max. 980): 848 Testurteil + sehr schnell schaltendes Getriebe mit unauffällig agierender Overdrive-Funktion, gute Bedienbarkeit, sehr gute Sichtverhältnisse, niedrige Geräuschkulisse innen, niedriger Testverbrauch - vergleichsweise hohes Leergewicht, S-Kabine mit Seitenneigung in Kurven, hoher Einstieg, schwache Motorbremse, umständlicher Kabinenumbau, um die volle Bettbreite nutzen zu können

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