BAG-Interview: Klarstellung

Es mehren sich aus dem Gewerbe die Rufe, dass zu wenig im Straßengüterverkehr kontrolliert wird. Kommt das BAG seiner Verpflichtung nicht nach? Hoffmann: Doch, definitiv. Wir sind im gesamten kontrollfähigen Netz unterwegs und haben im letzten Jahr unsere Kontrollen um die Schwerpunkt- und Sonderkontrollen ausgebaut. Dort kontrollieren wir die Fahrer mit Fokus auf bestimmte Rechtsgebiete wie beispielsweise zur Kabotage und zu den regelmäßigen Wochenruhezeiten. Das ist personalintensiv, wir werden aber weiter ausbauen. Wie häufig sind Schwerpunktkontrollen? Hoffmann: Die finden etwa dreimal im Monat statt. "Das BAG ist chronisch unterbesetzt", hört man immer wieder aus dem Gewerbe. Ist dem so? Hoffmann: Es kommt immer auf die Erwartung an. Wir sind ja nicht die einzige Kontrollbehörde. Aber Sie haben Recht: Wir benötigen zusätzliches Personal. Alleine in diesem Jahr werden wir 80 Kollegen im Straßenkontrolldienst einstellen. Die Hälfte ist bereits an Bord. Damit sind wir hier erstmalig über 300 Beschäftigte - das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr für diesen wichtigen, verkehrssicherheits- und wettbewerbsrelevanten Arbeitsbereich im BAG. Stellen Sie bei den Kabotagekontrollen überproportional hohe Verstöße fest? Hoffmann: Nein, das sind keine überproportional hohen Fallzahlen. Allerdings ist es wichtig, dass wir dort, wo sich Hotspots für unzulässige Kabotage herauskristallisieren, diesen Feststellungen nachgehen. Wenn wir dort entsprechende Verstöße aufdecken und häufiger kontrollieren, stellen wir fest, dass sich Kabotageverstöße spürbar verringern, und zwar in sehr kurzer Zeit. Unsere Kontrollen zeigen also Wirkung. Immer wieder ist zu hören, dass vor allem Fahrer und Lkw aus Osteuropa gegen Kabotage- und andere Bestimmungen verstoßen. Ist das zutreffend? Hoffmann: Dazu muss man berücksichtigen, dass in Deutschland Fahrzeuge aus Osteuropa stark vertreten sind. Das drückt sich entsprechend in der Verstoßquote aus. Richtig ist, dass einzelne Unternehmen durch überproportional viele Verstöße auffallen. Das ahnden wir entsprechend. Und wir können bei deren deutschen Auftraggebern durch Betriebskontrollen nachsteuern. Das tun wir auch. Wie sehen Strafen für Wiederholungstäter aus? Hoffmann: Die Verstöße sind nach nationalem Recht bußgeldsanktioniert. Auch der deutsche Auftraggeber muss mit schmerzhaften Geldbußen rechnen. Wir haben alleine 800.000 Euro Geldbußen im letzten Halbjahr nach Betriebskontrollen verhängt. Auf der Straße setzen wir jedes Jahr Bußgelder im zweistelligen Millionenbereich gegen gebietsfremde Unternehmen fest. Wenn ein Unternehmen häufiger gegen Kabotage verstößt, wie hoch fällt dann das Bußgeld durchschnittlich aus? Hoffmann: Das ist je nach Einzelfall unterschiedlich. Aber die Bußgelder sind hoch und im deutlich dreistelligen oder vierstelligen Bereich. Werden die Betriebskontrollen auch intensiviert? Marquardt: Wir haben uns bei den Betriebskontrollen eine neue Struktur gegeben, indem wir Zentren gegründet haben, die nichts anderes mehr machen als Betriebskontrollen. Das ist ein Bereich, den wir drastisch ausbauen werden. Da sehen wir auch eine Notwendigkeit aufgrund der Neuerungen im Mobilitätspaket. Unternehmen erhalten also künftig häufiger Besuch vom BAG. Marquardt: Ja, nicht nur künftig, sondern der Prozess läuft schon. Dann werden wieder Stimmen laut: Die Deutschen werden kontrolliert, die Ausländer nicht. Marquardt: Das ist definitiv nicht der Fall. Denn bei unseren Straßenkontrollen achten wir genau darauf, dass wir mehr ausländische als inländische Fahrzeuge kontrollieren, um genau dieses Ungleichgewicht nicht entstehen zu lassen. Zuletzt gab es Kritik am BAG, weil eine Liste mit Bußgeldrabatten gestaffelt nach der Herkunft der Fahrer publik wurde. Gibt es oder gab es die Liste? Hoffmann: Es gibt keine Rabatte und es gibt keine Rabattlisten. Wir begrüßen, dass wir in dieser Diskussion einiges klarstellen können. Eine Anmerkung vorweg: Das BAG ist an die Vorgaben des Bußgeldverfahrens gebunden. Das bedeutet: Die Handlung des Betroffenen ist maßgeblich zu berücksichtigen, aber auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen. Diese rechtliche Prüfung erfolgt in einer Einzelfallentscheidung von gut ausgebildeten Sachbearbeitern. Und um das klarzustellen: Eine Reduktion des Strafmaßes für Unternehmen aufgrund wirtschaftlicher Verhältnisse kommt vorliegend nicht in Betracht. Im zweiten Prüfschritt muss festgestellt werden, ob, wenn ein Fahrerverstoß vorliegt, dieser über der Geringfügigkeitsschwelle von 250Euro liegt. Danach ist zu prüfen, ob es sich um einen Fahrer aus einem Staat handelt, in dem das Einkommensniveau deutlich unter dem deutschen liegt. Erst wenn alle diese drei Fragen mit Ja beantwortet werden, erfolgt die Ermessensprüfung. Dann wird geprüft, ob für den Betrag zwischen der Geringfügigkeitsschwelle in Höhe von 250 Euro bis zum festgesetzten Bußgeld in Höhe von beispielsweise 350 Euro, also für diese verbleibenden 100 Euro, gegebenenfalls eine Bußgeldreduktion angemessen erscheint. Wir sind aber auch nicht taub oder blind und nehmen die wettbewerblich angespannte Situation im Transportgewerbe wahr. So macht das BAG, was es stets tut: Wir überprüfen unsere Verfahrenspraxis auf bestmögliche Vereinbarkeit der rechtlichen Vorgaben und der tatsächlichen Umstände auf der Straße. Ich bin zuversichtlich, dass uns dieser Interessenausgleich gelingen wird. Doch die Aufgeregtheit der Diskussion hat nicht gerade zu einer Klärung beigetragen. Was wir am wenigsten brauchen können, sind emotional geführte Neiddebatten, die an der Wirklichkeit und Richtigkeit vorbeigehen. Aber es gab diese Listen? Hoffmann: Diese Listen sind Richtwerte im Rahmen der soeben dargelegten Prüfung. Aber noch mal: Letztlich erfolgt eine Einzelfallentscheidung, bei der jeder BAG-Sachbearbeiter über die Höhe der Sanktion entscheidet. Wie viele solcher Verfahren, die über der 250-Euro-Schwelle liegen, gibt es, bei denen ein Nachlass zur Geltung kommt? Hoffmann: Wir führen darüber keine Statistik, aber es handelt sich um einen niedrigen zweistelligen Prozentsatz aller Bußgeldverfahren. Ist das BAG in der Lage, aus dem Fahrzeug heraus Lkw zu kontrollieren? Hoffmann: Ja. Mit den nächsten Fahrzeugflotten führen wir eine Sensorik ein, die es uns ermöglicht, im fließenden Verkehr bestimmte Verdachtsfälle aufzudecken. Dann werden wir nur noch im begründeten Verdachtsfall das Fahrzeug ausleiten und können die anderen Fahrzeuge passieren lassen. Unsere Kontrollen werden wesentlich effektiver. Sie sparen uns und dem Gewerbe Zeit, weil derjenige, der sich an Regeln hält, nicht aufgehalten wird. Das funktioniert heute schon bei Fahrzeughöhen und -längen über eine Kameratechnik. Wir können aber auch über Wärmebildkameras die Bremskraftwirkung an den Achsen nachvollziehen. Und wir sind dabei, diese Expertise auszubauen, um möglichst viel im fließenden Verkehr zu kontrollieren. Wie viele solcher digital aufgerüsteter Fahrzeuge haben Sie heute schon? Hoffmann: In Rheinland-Pfalz und Hessen sind 13 Pilotfahrzeuge unterwegs. Ende dieses, Anfang nächsten Jahres werden wir sukzessive die gesamte Flotte austauschen. Wann können diese Fahrzeuge den Smart-Tacho bei laufender Fahrt kontrollieren? Hoffmann: Den intelligenten Fahrtenschreiber könnten wir sofort auslesen, sobald dafür die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen sind. Aber wir planen noch weitere Prüfungen aus dem Fahrzeug heraus und haben dazu entsprechende Studien in Auftrag gegeben. Kommen wir zum Mobilitätspaket: Wie hat dieses Paket die Arbeit des BAG verändert? Marquardt: Wir begrüßen sehr, dass wirkungsvolle Instrumente eingeführt wurden und noch werden, um beispielsweise dem Fahrernomadentum einen Riegel vorzuschieben. Der Gamechanger im Mobilitätspaket ist sicher der intelligente Fahrtenschreiber, der uns ganz andere Kontrollmöglichkeiten gibt. Wenn dieser Fahrtenschreiber flächendeckend im Einsatz ist, gibt es dann einen rechtlich sauberen Straßengüterverkehr? Marquardt: Ich will nicht zu hohe Erwartungen wecken, aber unsere Arbeit wird dadurch enorm erleichtert. Wenn womöglich noch der elektronische Frachtbrief kommt oder wir die Daten auf der Fahrerkarte auslesen können, dann können wir wesentlich effizienter kontrollieren. Eine Maßnahme aus dem Mobilitätspaket ist die Verpflichtung des Arbeitgebers, seinem Fahrer alle vier Wochen die Rückkehr zu ermöglichen. Kontrolliert das BAG diese Bestimmung? Marquardt: Wir haben momentan noch keine gesetzliche Grundlage dafür. Daran wird gerade gearbeitet. Dann ist diese Regelung ja ein sehr stumpfes Schwert. Marquardt: Im Moment ist das so. Aber die Vorschrift ist ja auch noch nicht sehr alt. Es läuft gerade das Gesetzgebungsverfahren. Heiß diskutiert und bereits in Kraft ist das Kabinenverbot für die Verbringung der regelmäßigen, wöchentlichen Ruhezeit. Kann man das nur kontrollieren, wenn der Fahrer auf frischer Tat ertappt wird? Marquardt: Das ist korrekt. Ich muss nachweisen können, dass die 45 Stunden überschritten sind und der Fahrer die Ruhezeit im Fahrzeug verbracht hat. Deshalb kontrollieren wir am frühen Montagmorgen die Fahrer, befragen sie, prüfen die Unterlagen und können daraus Rückschlüsse ziehen, wo sie ihre Ruhezeit verbracht haben. Aber wenn Ihre Kollegen in der Woche kontrollieren, können sie nicht mehr feststellen, wo der Fahrer die wöchentliche Ruhezeit verbracht hat. Marquardt: So würde ich das nicht sagen. Wenn er außerhalb des Fahrzeugs seine Ruhezeit verbracht hat, dann müsste die Wegstrecke vom Parkplatz zur Unterkunft als sonstige Arbeitszeit dokumentiert sein. Ist sie das nicht oder nur durch einen manuellen Nachtrag, dann spricht einiges dafür, dass der Fahrer im Lkw übernachtet hat. Reicht das schon aus, um ein Bußgeld auszustellen? Marquardt: Zumindest würden wir uns dann intensiver mit dem Fall befassen und weitere Prüfungen einleiten. Es wäre doch ganz einfach: Der Fahrer legt eine Quittung für die Übernachtung vor. Marquardt: Die EU-Kommission vertritt die Ansicht, dass wir eine solche Rechnung nicht verlangen können. Für uns ist das nicht nachvollziehbar, aber wir akzeptieren das natürlich. Wie häufig haben Sie bislang einen solchen Verstoß aufdecken können, dass ein Fahrer verbotenerweise seine Ruhezeit im Lkw verbracht hat? Marquardt: In 2020 haben wir bei Kontrollen im Bereich des Fahrpersonalrechts 69.000 Verstöße erfasst. Davon sind 1.200 Verstöße gegen die Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug (rRWZ) festgestellt worden. Über das BAG laufen zahlreiche Förderprogramme. Kommen Sie mit der Abwicklung überhaupt hinterher? Hoffmann: Das sind sehr unterschiedliche Programme. Die klassischen Mautharmonisierungsprogramme sind Massenverfahren, die zu den Stichtagen auch große Antragswellen auslösen. Wir haben andere Programme wie zum Beispiel Soforthilfemaßnahmen, deren Adressatenkreis nicht ganz so breit ist. Außerdem sind wir dabei, uns als Generalist für Zuwendungsverfahren und Projektträger für die Förderung moderner Mobilität aufzustellen. Wir sind überzeugt, dass das Instrument der Förderung auch in Zukunft für jedwede Verkehrspolitik wichtig bleibt. Entsprechend haben wir uns aufgestellt und haben uns zu einem Experten in diesem Bereich entwickelt. Wie viele Mitarbeiter im BAG kümmern sich um das Thema Förderprogramme? Hoffmann: Etwa 200 Mitarbeiter. Das muss aber nicht das Ende der Fahnenstange sein. Von den Unternehmen hört man, dass die Bearbeitungszeiträume bei vergleichbaren Vorgängen doch sehr unterschiedlich sind. Der eine hat bereits das Geld in der Tasche, der andere noch nicht mal eine Rückmeldung. Hoffmann: Das kann schon mal so sein, hängt aber auch sehr von der Qualität des Antrages ab. Anders als andere Bundesstellen haben wir ein vollelektronisches Verfahren, von der Antragstellung bis zur Auszahlung. Wir haben über die Jahre Prozesse entwickelt, die zeitnah greifen. Das ist auch die ganz überwiegende Rückmeldung, die wir aus den Verbänden und der Unternehmerschaft hören. Komplettinterview: Wie das BAG versucht, Kabotagesündern das Handwerk zu legen und ob mit dem neuen Tachografen Manipulationen schwieriger werden, das und mehr lesen www.verkehrsrundschau.de/plus/bag. Mehr zum Thema finden Sie unter #BAG www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag Podcast: Teile des Interviews mit Andreas Marquardt und Christian Hoffmann können Sie im Originalton auch im Podcast der VerkehrsRundschau anhören unter: www.verkehrsrundschau.de/podcast Das BAG: Kontrolleur, Beobachter und Geldgeber Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) wird in der Logistikbranche vielfach vor allem als die Behörde wahrgenommen, die den Straßengüterverkehr kontrolliert. Doch ist das nur eine Aufgabe von vielen. Die selbstständige Bundesoberbehörde ist dem Bundesverkehrsministerium unterstellt und erfüllt eine Vielzahl von Aufgaben im Bereich des Güterkraftverkehrs und Personenverkehrs. Dazu gehören Kontroll- und Ahndungsaufgaben nach dem Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) sowie Bundesfernstraßenmautgesetz (BFStrMG). Aber das BAG betreibt auch eine intensive Marktbeobachtung und erstellt daher zahlreiche Berichte und Statistiken. Und ganz wichtig: Das BAG ist zudem Bewilligungsbehörde für zahlreiche Zuwendungsverfahren wie „De-Minimis“, „Ausbildung“ und „Weiterbildung“sowie für viele weitere Förderprogramme. Vita Andreas Marquardt (r.) ist seit dem 1. Januar 2009 Präsident des BAG. Geboren wurde er am 7. Juli 1961 in Cochem.Der Volljurist war von 1993 bis 2008 im Bundesverkehrsministerium in der verkehrspolitischen Grundsatzabteilung, der Luftfahrtabteilung und der Abteilung Straßenverkehr beschäftigt. Christian Hoffmann ist seit dem 1. Januar 2019 Vizepräsident des BAG. Er wurde am 7. Juni 1977 in Düsseldorf geboren. Der Volljurist ist seit 2005 beim BAG und war seitdem in verschiedenen Bereichen als Außenstellenleiter sowie Referats- und Abteilungsleiter tätig.

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