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Was das BAG-Urteil zum Mindestlohn bedeutet

16.06.2016 11:24 Uhr
Was das BAG-Urteil zum Mindestlohn bedeutet
Arnd Diringer leitet die Forschungsstelle für Arbeitsrecht an der Hochschule Ludwigsburg
© Foto: Arnd Diringer

Arbeitsrechtler Arnd Diringer erklärt im Interview, was Arbeitgeber nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts beim Anrechnen von Sonderzahlungen zum Mindestlohn beachten sollten.

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VerkehrsRundschau: Seit Einführung des Mindestlohngesetzes ist unklar gewesen, welche Sonderzahlungen bei den 8,50 Euro pro Stunde anrechenbar sind. Nun gibt es das erste höchstrichterliche Urteil. Herrscht damit diesbezüglich endlich Rechtssicherheit?

Arnd Diringer: Zumindest für bestimmte Sonderzahlungen ist nun klar, dass Arbeitgeber sie bei der Berechnung des gesetzlichen Mindestlohns berücksichtigen dürfen, um die seit 2015 vorgeschriebenen 8,50 Euro pro Stunde zu erreichen. Das Bundesarbeitsgericht hat insbesondere die wichtige Frage beantwortet, unter welchen Umständen dies erlaubt ist. Demzufolge ist eine solche Verrechnung nur zulässig, wenn diese Sonderzahlungen zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitsdatum „vorbehaltlos und unwiderruflich gezahlt“ werden.

Das heißt, es kommt darauf an, wann die Zahlungen stattfinden?

Das ist entscheidend. In dem zugrunde liegenden Fall ging es darum, ob der Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin das vertraglich zugesicherte Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von jeweils einem halben Monatsentgelt zusätzlich zum Grundlohn von 8,50 Euro pro Stunde zahlen muss. Laut den Erfurter Richtern muss er dies nicht, wenn er Urlaubs- und Weihnachtsgeld als Arbeitsentgelt anteilig jeden Kalendermonat zahlt. Der beklagte Arbeitgeber hatte mit dem Betriebsrat vereinbart, die Sonderzahlungen ab 1. Januar 2015 zu zwölfteln. Die Vereinbarung ist wirksam und verstößt nicht gegen den Arbeitsvertrag der Klägerin.

Was bedeutet das für Arbeitgeber?

Sofern sie es noch nicht getan haben, sollten sie Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen im Einvernehmen mit Mitarbeitern und Betriebsräten dahingehend ändern, dass es Urlaubs- und Weihnachtsgeld künftig nicht mehr als Einmalzahlungen gibt, sondern als monatliche Vergütung. Hervorgehen sollte daraus, dass der Arbeitgeber diese Zahlungen als Gegenleistung für die Normalleistung des Arbeitnehmers erbringt. Erfolgen diese Zahlungen dagegen zur Belohnung der Betriebstreue oder zur Kompensierung von Zusatzkosten, die während des Urlaubs oder zu Weihnachten entstehen, kann er sie wohl nicht mit den 8,50 Euro pro Stunde verrechnen. Die Anrechnung von lediglich jährlichen Sonderzahlungen pro Monat ist nicht möglich. Sie erfüllen Mindestlohnansprüche nur für den der Auszahlung vorangegangenen Kalendermonat.

Was hat das BAG zu anderen Zuschlägen und Zulagen gemäß MiLoG entschieden?

Zahlungen, die ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung erbracht werden, und solche, die auf einer besonderen gesetzlichen Grundlage beruhen, können nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. Die Zuschläge für Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit hat der Arbeitgeber in dem vorliegenden Fall zulässig auf der Basis der vereinbarten Vergütung von weniger als 8,50 Euro pro Stunde berechnet. Nachtarbeitzuschläge seien dagegen auf der Grundlage des Mindestlohns zu berechnen, heißt es in dem Urteil. Sie könnten dann nicht damit verrechnet werden. Denn ein Arbeitnehmer hat für Nachtarbeit laut Arbeitszeitgesetz einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu erhalten.

Kann man nun zusätzlich zum Mindestlohn gezahltes Urlaubsgeld zurückfordern?

Nein, das geht meines Erachtens nach nicht.

Rechnen Sie in der nächsten Zeit mit weiteren Grundsatzurteilen zum Mindestlohn?

Grundsatzurteile wird es noch viele geben. Das Bundesarbeitsgericht wird sich voraussichtlich bereits Ende Juni mit dem Mindestlohnanspruch bei der Vergütung von Bereitschaftszeiten beschäftigen.  

Das Interview führt VerkehrsRundschau-Redakteur André Gieße

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