Brüssel. Die EU-Kommission wird die Einführung sogenannter „Flüsterbremsen“ vorerst nicht forcieren. Sie hat beschlossen, den Mitgliedstaaten lediglich Optionen für den Umgang mit Schienenlärm vorzuschlagen. Unklar ist, was das für die deutschen Pläne bedeutet, ab 2020 nur noch leise Güterwagen auf die Gleise zu lassen.
Der Lärm rumpelnder Güterwagen erweist sich immer mehr als Hindernis für die von der EU angestrebte Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. „Der Schienengüterverkehr hat in Europa keine Zukunft, wenn er das Lärmproblem nicht schnell löst“, sagt der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Europäischen Parlament, Michael Cramer (Grüne). Verkehrskommissarin Violeta Bulc will allerdings keine neuen Vorgaben machen, um den Krach auf der Schiene zu reduzieren.
Denn dafür gibt es nur ein probates Mittel: Die Bremsblöcke der Güterwagen, die traditionell aus Grauguss hergestellt sind, müssen durch Bremsen aus Kunststoffen ersetzt werden, die Flüsterbremsen. Bei neuen Wagen wird das schon seit einigen Jahren gemacht. Weil aber nur zwei bis drei Prozent der Güterwaggons pro Jahr ersetzt werden, würde es etwa 40 Jahre dauern, bis der gesamte Wagenpark mit „Flüsterbremsen“ ausgerüstet wäre.
Umrüstung kostet Milliarden
Bereits 2008 hat die EU den Mitgliedstaaten erlaubt, die Trassenpreise vom Lärmpegel der Waggons abhängig zu machen: Laute Güterwagen zahlen mehr. Von dieser Möglichkeit machen bislang allerdings nur die Holländer, die Deutschen und die Österreicher Gebrauch – aber die lauten Waggons zahlen dort nur wenig mehr. Weiter will die Verkehrskommissarin nicht gehen, denn die Nachrüstung von rund 300.000 Güterwagen kostet eine Menge Geld. Bei einem Stückpreis von 2000 Euro pro Wagen müssten die Betreiber 5,8 Milliarden Euro investieren. In einem Papier der Kommission, das der VerkehrsRundschau vorliegt, heißt es: Eine solche „Lärmrichtlinie würde nicht vor 2022 zu signifikanten Verbesserungen führen“. Stattdessen sollten jetzt vier Maßnahmen ergriffen werden:
- Harmonisierung der Regeln für die (weiterhin freiwillige) Spreizung der Trassenpreise für laute und leise Eisen¬bahnwaggons,
- eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten, die Umrüstung auf Flüsterbremsen finanziell zu unterstützen,
- Lärmstandards für die Schieneninfrastruktur und
- die schrittweise Umsetzung von Grenzwerten.
Verbände zeigen sich enttäuscht
Man habe anspruchsvollere Vorgaben erwartet, sagt Julia Lamb, Geschäftsführerin des Verbandes der privaten Eisenbahnen ERFA. Auch beim Dachverband der staatlichen Bahngesellschaften, CER, ist man nicht begeistert. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn gegenüber der Straße zu erhalten, „brauchen wir eine klarere Strategie, die durch finanzielle, öffentliche Unterstützung flankiert wird“, sagt CER-Direktor Libor Lochman. Sonst bestehe die Gefahr, dass einzelne Staaten laute Wagen auf ihrem nationalen Schienennetz behindern oder verbieten und ein Teil des Güterverkehrs auf die Straße zurück verlagert werde.
Tatsächlich denken einzelne Mitgliedstaaten darüber nach, Verkehrsbeschränkungen für Güterwagen zu erlassen, die Lärm-Grenzwerte überschreiten. Sie dürften dann auf bestimmten Strecken nur zu bestimmten Zeiten oder mit reduzierter Geschwindigkeit eingesetzt werden. Darüber denkt auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nach, der spätestens 2020 nur noch Flüsterbremsen auf dem deutschen Schienennetz sehen will. Ein vollständiges Verbot sei jedoch kaum durchsetzbar, meint der Geschäftsführer des Verbandes der Güterwagenhalter (VPI) in Deutschland, Jürgen Tuscher. Seine Verbandsmitglieder wollen, ebenso wie die Deutsche Bahn, ihre Güterwagen bis 2020 umrüsten. Das wären allerdings nur zwei Drittel der Güterwaggons, die über das deutsche Schienennetz rollen.
Im Parlament wird deswegen darüber nachgedacht, den Druck auf die Kommission zu erhöhen. „Die Industrie braucht einen verlässlichen Fahrplan, den die Kommission schuldig bleibt“, sagt Cramer. Das Parlament verlange von der Kommission, dass laute Waggons spätestens 2020 verboten werden. (tw)