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Piraten verklagen Bundesregierung

16.04.2009 17:29 Uhr
Piraten verklagen Bundesregierung
Festgenommene Piraten monieren Unterbringung in einem kenianischen Gefängnis
© Foto: Arndt

Somalische Seeräuber drehen den Spieß um

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Berlin. Damit dürfte die Bundesregierung nicht gerechnet haben. Sie wird von somalischen Piraten verklagt, weil diese nach ihrer Festnahme wegen einer Attacke auf einen deutschen Frachter am Horn von Afrika zur Strafverfolgung nach Kenia – und nicht nach Deutschland – gebracht wurden. Die Unterbringung in dem Gefängnis in Mombasa sei menschenunwürdig, sogar lebensgefährlich und die Überstellung an Kenia deshalb unrechtmäßig, argumentiert die Kanzlei Wallasch & Koch in Frankfurt/Main. Sie vertritt einen der seit dem 11. März in Kenia neun inhaftierten mutmaßlichen Seeräuber. Ihnen soll ab kommender Woche der Prozess in Mombasa gemacht werden. Verklagt werden gleich vier Bundesministerien (Außen, Innen, Verteidigung und Justiz). Offiziell erklärt die Regierung, sie nehme die Klage ernst, äußere sich aber zu laufenden Verfahren nicht. Das Auswärtige Amt wehrt sich noch „in aller Entschiedenheit“ dagegen, dass Deutschland die Menschenrechtsstandards in Kenia nicht prüfe. Ein Sprecher verweist auf das speziell zwischen Kenia und der Europäischen Union (EU) geschlossene Abkommen zur Piraten-Überstellung und direkte Absprachen mit der Bundesrepublik. Außerdem werde die Einhaltung der Standards kontrolliert. Inoffiziell wird von Profilierungssucht der Anwälte gesprochen. Es sei absurdes Theater, dass schwer bewaffnete Piraten ein deutsches Handelsschiff in erpresserischer Absicht angreifen, deutsche Marine-Soldaten eine Kaperung vereiteln und die Täter am Ende zugleich als Opfer dastünden, heißt es. Es wird mit Argwohn betrachtet, dass der gemeine Pirat in Mombasa plötzlich deutschen Rechtsbeistand hat. Und eher für ein Märchen wird der in der Klageschrift beschriebene Grund für den Aufenthalt des Somaliers auf See gehalten. Danach hatte er eine „Seepassage in den Jemen“ gebucht, weil er sich dort aufgrund der unsicheren Lage in Somalia eine neue Existenz aufbauen wollte. „Er befürwortet ausdrücklich jede Anstrengung der internationalen Staatengemeinschaft, dem Phänomen der Piraterie auf den Weltmeeren, und hierbei insbesondere in den Gewässern des Golf von Aden, Herr zu werden“, schreiben seine Anwälte. Zugleich erklären sie, der Kapitän des Bootes wollte trotz Aufforderung der Bundeswehr seine Waffen nicht abgeben, weil er sie im Jemen verkaufen wollte. Dass die deutschen Piraten-Anwälte der Bundesregierung „gewaltig auf den Wecker gehen“, sagt der beteiligte Frankfurter Strafrechtsanwalt Michael Koch selbst. Die deutschen Behörden seien in einer unangenehmen Lage, meint er. Er glaube nicht, dass die Bundesregierung juristisch blauäugig in die seit Dezember laufende EU-Anti-Piraten-Operation „Atalanta“ gegangen sei. „Sie wundert sich nur, dass sich jemand dafür interessiert.“ Seine Kanzlei mit seinem Partner Oliver Wallasch habe berufliche Kontakte zu dem kenianischen Anwalt, der in Mombasa das Mandat für die neun Häftlinge habe. Derzeit arbeiteten sie ohne Honorar. Die in Deutschland üblichen Rechte hätten sie in Kenia nicht, beklagt Koch ferner. Von der Bundesregierung fordern sie die Übernahme der Anwaltskosten. Ferner liegt der Streitwert der Klage bei 10.000 Euro für mögliche Schäden, die ihr Mandant erleiden könnte. Die Zustände im Gefängnis Shimo La Tewa in Mombasa seien „katastrophal“. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann Insassen krank würden. Die deutschen Marinesoldaten hatten die Piraten nach der Festnahme auf der Fregatte „Rheinland-Pfalz“ erst einmal medizinisch untersucht – möglicherweise war das ihre erste ärztliche Betreuung seit Jahren überhaupt. Mit Rücksicht auf ihre Religion wurde ihnen auf dem Kriegsschiff spezielles Essen angeboten und jeder hatte einen eigenen Schlafplatz. Eine solche Behandlung hätte sie auch in einem deutschen Gefängnis erwartet. Nichts dergleichen geschehe in Kenia, sagt Koch. Seiner Ansicht nach dürfte es Strafverfahren gegen festgenommene Piraten nur in Ländern mit verbrieften Menschenrechten geben – am besten in Deutschland. „Aber die Bundesregierung hat wohl große Angst, dass sich Flüchtlinge eine Piratenflagge umhängen, um in einem schicken Flugzeug nach Deutschland gebracht zu werden und nach Verbüßung ihrer Haftstrafe dann Asyl beantragen.“ (dpa)

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