München. Deutschland ist wieder mal die Nummer Eins! Ein Grund zur Freude ist das ausnahmsweise aber nicht. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD hat die Gehaltslücke zwischen Frauen und Männern unter die Lupe genommen. Das ernüchternde Ergebnis: In keinem anderen europäischen Land ist sie so groß wie in Deutschland. Frauen verdienen demnach durchschnittlich 21 Prozent weniger als Männer. Das Statistische Bundesamt spricht sogar von 22 Prozent. Das heißt: Pro Stunde bekommen weibliche Mitarbeiter rund fünf Euro brutto weniger als männliche.
Dabei machen mittlerweile mehr Mädels Abitur als Jungs. Viele davon studieren. Zielstrebig ziehen sie ihr Studium durch, glänzen durch gute Noten und tolle Leistungen in Praktika und während Auslandssemester. Die Zeiten, in denen hinter jedem erfolgreichen Mann eine starke Frau stand, sind längst Vergangenheit. Starke Frauen machen heute ihr eigenes Ding. Aber eben schlechter bezahlt.
Darauf macht der sogenannte „Equal Pay Day“ aufmerksam. Stattgefunden hat er dieses Jahr am 21. März. Bis zu diesem Tag mussten Frauen arbeiten, um genauso viel zu verdienen, wie ihre männlichen Kollegen bis zum Jahresende 2013. Aber woran liegt es, dass Frauen über zweieinhalb Monate mehr schuften müssen für den gleichen Verdienst? Am mangelnden Verhandlungsgeschick? Vielleicht. Aber vor allem ist die Berufswahl verantwortlich. „Die Löhne und Gehälter sind in Branchen, in denen die Frauen in der Überzahl sind, niedriger als in den von den Männern dominierten Sektoren“, heißt es in einer von der Europäischen Union herausgegebenen Broschüre.
Demnach müsste die Logistik in punk-to Verdienst die perfekte Branche für Frauen sein. Schön wärs! In vielen Unternehmen werden Frauen über nahezu alle Branchen hinweg einfach schlechter bezahlt als Männer. Dazu kommt, dass mehr Frauen eine Teilzeitstelle haben. Und wer Teilzeit arbeitet, bekommt oft schlechtere Stundenlöhne und hat geringere Aufstiegschancen.
Die gute Nachricht: Nicht in allen Unternehmen bekommen weibliche Mitarbeiter weniger Geld. Etliche haben es sich zudem zur Aufgabe gemacht, die Frauenquote – insbesondere auch auf Führungsebene – zu erhöhen. „Frauen haben bei Hermes genau dieselben Verdienst- und Karrieremöglichkeiten wie ihre männlichen Kollegen, und das ist auch gut so“, sagt Einar Ninnemann, Bereichsleiter für Human Resources. Aktuell sind bei Hermes rund ein Fünftel der Führungspositionen durch Frauen besetzt – bis 2018 sollen es 30 Prozent sein. Insgesamt liege die Frauenquote in den deutschen Hermes- Gesellschaften bei 48 Prozent. „In der traditionell männerdominierten Logistikbranche ist das ein guter Anfang, auch wenn es hier selbstverständlich noch Luft nach oben gibt“, so Ninnemann. Künftig soll der Anteil deshalb noch weiter erhöht werden. „Bewerbungen von Frauen sind daher ausdrücklich erwünscht und werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt, auch bei der Besetzung von Führungspositionen.“
Arbeitgeber sind gefragt
Die Unternehmen in die Pflicht nimmt auch Sandra Babylon, Leiterin der Women Initiative bei der Unternehmensberatung Accenture: „Die Arbeitgeber müssen nach wie vor ihren Teil dazu tun, um Frauen beim beruflichen Aufstieg gezielt zu unterstützen.” Dazu gehören flexible Arbeitszeitmodelle und die Möglichkeit von zu Hause zu arbeiten, damit Mitarbeiterinnen Familie und Beruf besser unter einen Hut bekommen. Aber auch Seminare für angehende weibliche Führungskräfte und klare Regeln für Beförderungen hält sie für wichtig. Denn laut einer Accenture-Studie können viele Frauen ihre Stärken noch immer nicht voll ausspielen: 40 Prozent gaben an, für ihren Job überqualifiziert zu sein. (ts)