Berlin. Anna R. studiert im zweiten Semester. Allein in der nächsten Woche stehen drei Prüfungen an. Wenn sie daran denkt, könnte sie losheulen. Aber das ist zurzeit nicht ungewöhnlich. Bei jeder Kleinigkeit bricht sie in Tränen aus, letztens sogar, weil sich in der Kantine ein Kommilitone vorgedrängelt hat. Nachts kann sie nicht schlafen, tagsüber quält sie sich durch die Vorlesungen, kann die Augen kaum offenhalten. Schon immer schreiben ihre Freunde bessere Noten, sind schneller mit ihren Seminararbeiten fertig und haben mehr Freizeit. So kommt es ihr jedenfalls vor. Und seit ihr Freund Schluss gemacht hat, gelingt sowieso nichts mehr. Schon wieder kullern die Tränen über ihr Gesicht.
Anna R. ist mit ihren Ängsten und Problemen kein Einzelfall. Laut der vom Deutschen Studentenwerk in Auftrag gegebenen Hisbus-Studie „Beratung von Bachelorstudierenden in Studium und Alltag“ (2013) gaben 68 Prozent der online befragten Studierenden an, dass sie ihr Studium in den vergangenen zwölf Monaten gestresst und stark belastet hat. Bedenkliche 47 Prozent der Bachelorstudierenden haben demnach sogar mit „Erschöpfung und Überforderungsgefühlen“ zu tun. Knapp darunter liegen „psychosomatische Beschwerden“ (44 Prozent) und Ängste (42 Prozent). Mehr als ein Drittel hat mit „Lern- und Leistungsstörungen“ zu kämpfen. Im Bereich der sozialen Themen sind „Studienfinanzierung“ und „Vereinbarkeit von Studium und Job“ am häufigsten mit Problemen behaftet.
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Trotz des teilweise hohen Problemdrucks lassen sich viele Studierende nicht beraten. Mit einem Anteil von 43 Prozent greifen Studentinnen aber häufiger als Männer auf Beratung zurück. „Wer wirklich Probleme hat, sollte sich unbedingt Hilfe suchen“, sagt Georg Schlanzke vom Deutschen Studentenwerk. „Viele Studierende erkennen ihre Schwierigkeiten, bleiben damit dann aber allein. Die Tendenz geht allgemein aber sicherlich dazu, dass Beratungsangebote immer stärker genutzt werden.“ Diese seien an den Hochschulen und bei den Studentenwerken in den vergangenen Jahren ausgebaut worden, um die jungen Menschen bestmöglich unterstützen zu können. Die psychotherapeutischen und psychosozialen Beratungsstellen der Studentenwerke bieten in der Regel neben Einzelgesprächen auch Paar- und Familiengespräche sowie Gruppenangebote zu Themen wie Lern- und Entspannungstechniken, Prüfungsangst oder soziale Kompetenz an.
Doping fürs Gehirn
So mancher Student „hilft“ sich aber lieber selbst – oder denkt das zumindest. In einer Online-Befragung des HIS-Instituts für Hochschulforschung kam heraus, dass zwölf Prozent der Studierenden seit Beginn des Studiums eine oder mehrere Substanzen wie verschreibungspflichtige Medikamente, Schmerz- oder Beruhigungsmittel, Psychostimulanzien, Aufputschmittel, Koffein und Cannabis eingenommen haben, um die Studienanforderungen besser bewältigen zu können. Die große Mehrheit der Studierenden – und damit 88 Prozent – hat jedoch keine Erfahrungen mit Hirndoping gemacht. Und will es auch nicht! (ts)