VerkehrsRundschau: Laut Ihrer Studie zur Digitalisierung im Speditionsgeschäft wird alle fünf Tage ein neues Logistik-Start-up gegründet. Müssen Speditionen um ihre Existenz fürchten?
Max-Alexander Borreck: Durchaus sind die Start-ups dabei, das klassische Speditionsgeschäft zu digitalisieren und damit zu verändern. Zunächst gilt das aber erst einmal für das Spotgeschäft und einfache Transportgeschäfte. Spannend ist, ob es den traditionellen Speditionen gelingt, das Vordringen der digitalen Anbieter in komplexere Geschäfte zu stoppen – durch Marktverständnis, Lieferketten-Know-how und operative Exzellenz. Insgesamt wird es für die Dienstleister wichtiger, sich in die Infrastruktur der Auftraggeber zu integrieren.
Also keine Bedrohung?
In jedem Fall Veränderung. Es kommen neue Vermittler hinzu. Viele Start-ups sind Vermittlungsplattformen und bieten traditionellen Unternehmen auch die Chance, neue Auftraggeber an Land zu ziehen und damit zu wachsen.
Wer kann von den Start-ups profitieren?
Gerade kleinere Unternehmen mit schlanken Strukturen, die agil und flexibel reagieren können. Ihnen ermöglichen es die Plattformen, neue Kunden zu akquirieren.
Es werden also auch künftig Transportunternehmen Waren von A nach B bringen.
Natürlich braucht man nach wie vor Transporteure. Aber die Digitalisierung verändert die Branche. Nehmen wir das automatisierte Fahren: Wer wird künftig die Flotten besitzen, wer wird sie disponieren? Das können Start-ups sein. Aber auch Lkw-Hersteller bringen sich in das Thema ein. Nicht unbedingt als Konkurrenz zur Spedition, aber sie übernehmen eine wichtige Rolle in der Digitalisierung des Transports.
Was können gerade auch Mittelständler tun, um nicht den Anschluss zu verlieren?
Der Erfolg vieler Mittelständler beruht darauf, flexibel und schnell zu reagieren. Das müssen sie auch im digitalen Zeitalter beibehalten. Konkret bedeutet das, alle komplexen Prozesse im Unternehmen auf Automatisierbarkeit hin zu überprüfen. Das umfasst nicht nur die reine Automatisierung manueller Prozesse, sondern auch die Entscheidungsunterstützung durch gesammelte Daten, zum Beispiel in kritischen Bereichen wie Disposition und Tourenplanung.
Die Gründer kommen meist nicht aus der Transportlogistik. Verfügen sie überhaupt über das Know-how, um der Branche Konkurrenz zu machen?
Das ist eine sehr spannende Frage: Die Kernkompetenz der Gründer ist die Digitalisierung. Sie analysieren Daten, überwachen Prozesse und entwickeln Lösungen. Markt-Know-how hingegen können sie sich relativ zügig durch Industriepartner aneignen. Hinzu kommt, dass Start-ups als sehr attraktive Arbeitgeber gelten – auch für Spezialisten aus der Logistik, die Branchenkenntnis mitbringen.
Also schnappen die Start-ups den Unternehmen die begehrten Fachkräfte weg?
Ich würde das nicht so schwarz-weiß malen. Aber gerade Leute, die gegenüber der Digitalisierung offen sind, gehen gerne zu den Start-ups. Sicher verschärft das den Wettbewerb noch mal.
Deutschland ist Logistikweltmeister. Die Start-ups kommen aber aus den USA oder China. Werden wir abgehängt?
Fakt ist: In Deutschland gibt es wenige Logistik-Start-ups. Auch die Finanzierung kommt in der Regel aus dem Ausland. Deutsche Logistiker haben aber eindeutig mehr Markt-Know-how. Wenn es den deutschen Unternehmen gelingt, ihr Geschäft zu digitalisieren, bin ich zuversichtlich, dass Deutschland führend bleibt.
Das Interview führte Katharina Spirkl, Chefin vom Dienst
Um was es geht
Start-ups rollen die Logistikbranche auf
Die Logistikbranche steht vor weitreichenden Veränderungen durch die Digitalisierung. Internationale Logistik-Start-ups schießen aus dem Boden und machen den traditionellen Speditionen Konkurrenz. Zu dieser Einschätzung kommt die Managementberatung Oliver Wyman in einer internationalen Marktanalyse. Die Studienautoren raten etablierten Logistikdienstleistern, die Zusammenarbeit mit innovativen Start-ups zu suchen. (ks)
Richard Vahrenkamp