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Interview mit NRW-Arbeitsminister: Kampfansage an die KEP-Branche

22.08.2014 16:04 Uhr
Interview mit NRW-Arbeitsminister: Kampfansage an die KEP-Branche
Der ehemalige Gewerkschaftler ist seit 2010 Arbeitsminister in NRW
© Foto: MAIS NRW/Ralph Sondermann

NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) nimmt die großen KEP-Dienste ins Visier. Welche Vorgaben er verschärfen will, sagt er im VR-Interview.

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Düsseldorf/München. Vor einigen Wochen ging NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider mit den Ergebnissen einer Arbeitsschutzkontrolle bei KEP-Diensten in seinem Bundesland an die Öffentlichkeit. Der SPD-Minister kritisierte die hohe Mängelquote und forderte, die Auftraggeber verstärkt zur Verantwortung zu ziehen. Im Interview mit der VerkehrsRundschau konkretisiert der Ressortchef nun seine Pläne. 

Herr Schneider, warum haben Sie die Kontrollen bei den KEP-Diensten in NRW angeordnet?
Unser Arbeitsschutz führt drei bis vier Mal im Jahr Sonderaktionen in bestimmten Branchen durch. Diesmal haben wir uns darauf verständigt, die Paketdienste ins Visier zu nehmen. Da spielte natürlich eine Rolle, dass in den letzten Monaten einiges in der Öffentlichkeit über die Arbeitsbedingungen in dieser Branche bekannt wurde. In NRW sind in dieser Branche rund 55.000 Beschäftigte tätig. Das ist Anlass genug, um den staatlichen Arbeitsschutz aktiv werden zu lassen.

Wenn man sich Ergebnisse anschaut: Ist die KEP-Branche ein negativer Ausreißer?
Die KEP-Branche ist ein absoluter Ausreißer, so etwas habe ich in meiner Amtszeit noch nicht erlebt.

Wird denn genug kontrolliert?
Es gibt keine Branche, die regelmäßig kontrolliert wird, dazu haben wir gar nicht das Personal, obwohl wir in NRW unter der rot-grünen Landesregierung den Arbeitsschutz personell aufgestockt haben. Ich gehe aber grundsätzlich auch davon aus, dass in einer seriösen Branche die Unternehmen selbst Wert darauf legen, dass einschlägige gesetzliche Bestimmungen eingehalten werden.

Wie geht’s denn weiter?
Im Mai waren die Kontrollen, danach wurde der Bericht erstellt. Dieser ist aufgrund der bemerkenswerten Ergebnisse - die untersuchten Paketdienste verstoßen in 85 Prozent der Fälle gegen Arbeitsschutzvorschriften - auch publiziert worden. Jetzt werden die Ergebnisse mit den jeweiligen Unternehmen besprochen, um Abhilfe zu schaffen, vor allem mit denen, in denen es Hinweise auf systematische und gehäufte Verstöße gibt. Das waren immerhin 60 Prozent der überprüften Kurierdienste. Wir wollen nicht bestrafen, sondern informieren und überzeugen. Aber dort, wo wir gravierende Verstöße feststellen, müssen die Verantwortlichen auch mit Bußgeldern rechnen.

Die großen Dienste sagen fast unisono auf Anfrage: „Wir wollen uns nicht äußern, wir haben noch keine Informationen vom Ministerium“. Wann bekommen sie die Infos?
Die Hauptauftragnehmer sind nach den Kontrollen über Defizite von der Arbeitsschutzaufsicht informiert worden. Wir gehen nun auf die überprüften Unternehmen zu. D.h. die Arbeitsschutzverwaltung der Bezirksregierungen sucht diese Kurierdienste auf, sie werden die Firmen nochmal detailliert überprüfen und natürlich auf festgestellte Mängel hinweisen. Diese Überprüfungen müssen vor Ort erfolgen und  sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Das Ministerium selbst wird in den Einzelfällen nicht tätig.

Sie haben eine Initiative angekündigt, mit der Sie die Verantwortung des Auftraggebers stärken wollen. Was genau planen Sie?
Wir wollen die entsprechende Fahrpersonalverordnung, konkret den § 20 a, in dem bereits eine Mitverantwortung des Hauptauftragnehmers für die Beachtung der einschlägigen Rechtsvorschriften durch den Subunternehmer festgelegt ist, zuspitzen. Man kann und darf über das Subsystem nicht die eigentliche unternehmerische Verantwortung verschieben.

Also eine Arbeitgeberhaftung?
So ist das. Wie das konkret in der Fahrpersonalverordnung verankert werden kann, überprüfen gerade unsere Juristen.

Die Argumente der großen Paketdienste lauten: „Wir können die Subunternehmer doch gar nicht kontrollieren, das ist Aufgabe des Staates“.
Die Einhaltung von Recht und Gesetz kann nicht an den Staat delegiert werden. Das müssen die Unternehmen schon selbst wahrnehmen. Aufgabe des Staates ist es, Rahmen zu setzen. Aufgabe der Unternehmen ist es, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die dazu beitragen, dass die Lenk-, Arbeits- und Ruhezeiten auch eingehalten werden.

Die Schuld liegt Ihrer Meinung also eher bei den großen Diensten?
Mir geht’s nicht um Schuld und Sühne, mir geht es darum, dass in diesem Lande Gesetze eingehalten werden. Dazu sind sie da. Und dies ist offensichtlich in dieser Branche nicht der Fall. Und das Sub-Sub-System führt dazu, dass die Subunternehmer unter einem erheblichen ökonomischen Druck stehen. Deswegen will ich die großen Paketdienste stärker in die Verantwortung nehmen. Diese haben, als wir kontrollierten, die Verantwortung für Mängel weit von sich geschoben und die Subunternehmer dafür verantwortlich gemacht, dass die Lenk- und Arbeitszeiten nicht eingehalten wurden. So geht’s nicht. Es kann nicht sein, dass in einer Branche fast überall an der geltenden Gesetzgebung vorbei agiert wird.


Wie geht es denn nun weiter mit Ihrer Initiative?
Ich werde das Thema an die anderen Länder-Arbeitsminister herantragen und mit ihnen die rechtlichen Möglichkeiten erörtern.

Wie sehen diese denn das Thema?
Die sind genauso erschüttert wie ich.

Wäre nicht eine Selbstverpflichtung besser als eine gesetzliche Regelung?
Es gibt doch bei den großen Unternehmen bereits eine Selbstverpflichtung. Die sogenannten Kodexe haben aber zu nichts geführt. Offensichtlich ist da in der Praxis nichts angekommen. Ich bin immer für Eigenverpflichtung, aber wenn das zu nichts führt, müssen gesetzliche Regelungen her – also eine Verschärfung der Verordnung.

Einige in der Branch fordern, dass die Postdienste (bisher gilt hier eine 20-Kilo-Paket-Grenze) generell von der Aufzeichnungspflicht der Lenk- und Ruhezeiten befreit werden. Ein sinnvoller Ansatz?
Haben Sie einem Paketdienstfahrer einmal bei der Arbeit zugesehen? Das ist ein unglaublich harter Job, beinahe unmenschlich, mit einem enormen Zeitdruck. Eine Befreiung von der Aufzeichnungspflicht ist der falsche Weg. Dann haben wir am Ende eine Verordnung, die für niemanden mehr gültig ist. Dagegen bin ich strikt. Und das Ganze nur, damit die Damen und Herren bei den einschlägigen Onlinediensten der schönen neuen Shoppingwelt frönen: zehn Paar Schuhe bestellen, ein Paar kaufen und dann umsonst zurückschicken, per Kurier. 

Ist also auch der Verbraucher in der Pflicht?
Natürlich ist es wichtig, was der Verbraucher macht. Aber der Einzelne kann da nichts machen. Als Gesetzgeber halte ich mich an die verantwortlichen Firmen, einen anderen Weg gibt es nicht.

Abschlussfrage: Wie soll die Situation in einem Jahr aussehen?
Wir müssen dazu kommen, dass Gesetze und Bestimmungen wie in anderen Branchen auch in der KEP-Branche eingehalten werden. Das ist nichts Revolutionäres, das ist in einem Rechtsstaat das Übliche. (tr)


Das Interview führte Tobias Rauser, Chef vom Dienst der VerkehrsRundschau



 

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