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Interview: "Macht der französische Mindestlohn Probleme?"

02.08.2016 09:54 Uhr
Interview: "Macht der französische Mindestlohn Probleme?"
Holger Döpke, Speditionsleiter des mittelständischen Unternehmens Döpke Logistik in Endingen am Kaiserstuhl
© Foto: Döpke Logistik

Deutsche Verkehrsverbände haben kürzlich den zusätzlichen Bürokratieaufwand rund um den Mindestlohn beklagt. Holger Döpke, Speditionsleiter von Döpke Logistik sagt hingegen: "Alles halb so schlimm".

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Die französische Regierung hat zum 1. Juli den gesetzlichen Mindestlohn auf Betriebe des Straßengüterverkehrs aus anderen EU-Mitgliedstaaten ausgeweitet, die Mitarbeiter in Frankreich einsetzen. Er beträgt zwischen 9,68 und 10,00 Euro pro Stunde – je nach Lkw-Gewicht und Fahrerqualifikation. Ausländische Unternehmen müssen einen französischen Vertreter für Kontrollen benennen und Entsendebescheinigungen für Mitarbeiter erstellen. Für die Fuhrunternehmen ist dies mit zusätzlichem bürokratischem Aufwand verbunden. Doch wie wirken sich die Vorgaben tatsächlich auf den Speditionsalltag aus? Holger Döpke, Speditionsleiter des mittelständischen Unternehmens Döpke Logistik in Endingen am Kaiserstuhl, berichtet von seinen Erfahrungen.

VerkehrsRundschau:Ist ihr Betrieb seit der Mindestlohn-Ausweitung in Frankreich kontrolliert worden?
Holger Döpke: Wir transportieren mit 62 Fahrzeugen regelmäßig Komplettladungen nach Frankreich. Seit 1. Juli wurden dort zwar Lkw von uns angehalten. Die Einhaltung des französischen Mindestlohns spielte bei den Kontrollen bisher aber noch keine Rolle.

Hat Döpke Logistik bereits für alle Fahrer, die im Frankreich-Verkehr unterwegs sind, die Entsendebescheinigungen erstellt, die das Transportministerium in Paris verlangt?
Das haben wir Anfang Juli erledigt. Wir sind nun dabei, die Entsendebescheinigungen nach und nach an die Mitarbeiter zu verteilen. Es sind ja nie alle Fahrer gleichzeitig bei uns vor Ort. Da unser Unternehmen nur vier Kilometer von der französischen Grenze entfernt ist und vieles bei uns zweisprachig abläuft, haben wir womöglich weitaus weniger Probleme mit dem Ausfüllen der Formulare gehabt als andere.

Deutsche Verkehrsverbände haben kürzlich die zusätzliche Bürokratie für das Fuhrgewerbe beklagt. Wie aufwendig ist der französische Mindestlohn aus Ihrer Sicht?
Am Anfang haben wir auch gestöhnt, weil schon wieder mehr Bürokratie anfällt und man neue Regeln beachten muss. Nachdem die Formulare jetzt ausgefüllt sind, muss ich allerdings zugeben, dass es sinnlosere und schlimmere bürokratische Vorgaben gibt. Das Erstellen der Zertifikate für alle 70 Fahrer, die Arbeitsverträge für Nachweiszwecke auf Tour zu kopieren und einen Vertreter in Frankreich für den Fall einer Betriebskontrolle zu suchen, hat einen Mitarbeiter für drei Tage beschäftigt. Die Entsendezertifikate gelten ein halbes Jahr. Das Prozedere wiederholt sich also nicht ständig.

Wie viel hat Ihr Betrieb dazu beigetragen, dass pünktlich alles ordnungsgemäß läuft?
Ich weiß, worauf Sie damit hinaus wollen: Die Einführung der neuen Mindestlohn-Regelungen in Frankreich lief alles andere als gut. Die staatliche Informationspolitik war chaotisch. Viele Fragen waren bis kurz vor dem Stichtag am 1. Juli ungeklärt oder nicht in deutscher Sprache beantwortet. Insofern ist es nur konsequent, dass die französischen Kontrollbehörden vorübergehend Verstöße gegen die Mindestlohn-Regelungen nicht bestraft haben.

Also lediglich ein Fehlstart der Grand Nation, aber keine komplette Fehlkonstruktion?
Richtig. Aus meiner Sicht machen es die Franzosen etwas besser als die Deutschen: Die bei uns vorgeschriebenen und auch für ausländische Frachtführer aktuell gültigen 8,50 Euro pro Stunde sind bei grenzüberschreitenden Beförderungen und Kabotage-Verkehren nicht richtig kontrollierbar. Und Verstöße von Polen oder Rumänen können deutsche Behörden kaum ahnden. Die französische Repräsentanten-Regelung halte ich für geschickt, weil damit gewährleistet ist, dass ein Ansprechpartner des entsendenden Arbeitgebers im Land sitzt, der haftbar gemacht werden kann. Daher befürworte ich das System unserer Nachbarn, weil es alle Marktteilnehmer gleich behandelt und so für fairen Wettbewerb sorgt.

Stellt die Höhe des französischen Mindestlohns für Ihr Unternehmen ein Problem dar?
Unsere Lkw-Fahrer erhalten deutlich mehr als die zehn Euro pro Stunde. Wer weniger zahlt, findet in Baden-Württemberg kein qualifiziertes Personal. Für die Mehrheit der deutschen Fuhrunternehmer sollte der französische Mindestlohn keine Herausforderung sein. Wer dennoch schimpft, muss sich klarmachen: Die Ausweitung ist nicht eingeführt worden, um Westeuropäer zu gängeln, sondern um zu verhindern, dass osteuropäische Billiganbieter die Preise kaputtmachen. Von einem höheren Frachtniveau würden letztlich alle profitieren.

Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteur André Gieße.

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