Anton Hofreiter, Verkehrspolitiker (Bündnis 90/Die Grünen) und Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag, zu den Optionen des Bundes nach Auslaufen des Mautbetreibervertrages im August 2015.
Die Medien spekulieren über die Zukunft von Toll Collect. Was ist dran an den Meldungen, dass der Bund den Mautbetreiber übernehmen möchte?
Anton Hofreiter: Offenbar gibt es Überlegungen im Bundesverkehrsministerium, Toll Collect zu übernehmen. Nach meinen Informationen wird dort schon mit relativ genauen Zahlen ein solches Szenario durchgespielt. Der Bund würde damit auf fast alle Schadenersatzansprüche gegen Toll Collect verzichten und die im Betreibervertrag vereinbarte „Call Option“ ausüben. Das bestätigen auch Mitarbeiter des Ministeriums unter vier Augen.
Welche Optionen hat der Bund nach Auslaufen des Betreibervertrags im August 2015?
Wenn der Vertrag im August 2015 ausläuft, kann der Bund dreimal in Folge den Vertrag um jeweils ein Jahr verlängern oder der Betrieb des Mautsystems kann neu ausgeschrieben werden. Die dritte Option ist die Übernahme der Mautgesellschaft.
Ist die Übernahme eine sinnvolle Option?
Man muss sich schon fragen, ob es eine kluge Entscheidung ist, eine abgeschriebene Gesellschaft zu übernehmen und im Gegenzug auf die Milliardenforderungen aus dem Schiedsverfahren zu verzichten. Es stehen sieben Milliarden Euro im Raum, die der Bund vom Mautbetreiber wegen des verspäteten Startes der Maut eingeklagt hat. Die Frage ist aber auch, ob dieses Mautsystem flexibel genug ist, um künftige Aufgaben zu bewältigen. Man darf nicht vergessen: Dass die Ausweitung der LKW-Maut nicht auf alle Bundesstraßen erfolgte, lag nicht am fehlenden politischen Willen, sondern am zu geringen Datenspeicher der On-Board- Unit (OBU).
Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass das System im Zuge einer Neuausschreibung an einen anderen Betreiber geht?
Im Moment scheint das BMVBS die Neuausschreibung nur pro forma zu betreiben. Es wäre aber aus meiner Sicht dringend notwendig, die Ausschreibung ernsthaft anzugehen. Das bestehende System ist weder einer Ausweitung der Maut auf weitere Straßen noch der Einbeziehung von Fahrzeugen geringerer Gewichtklassen gewachsen. Es bestehen im BMVBS aber Befürchtungen, dass es im Falle eines Systemwechsels zu ähnlichen Anfangsproblemen kommen könnte wie beim jetzigen System. Solche Ängste werden von Toll Collect ganz bewusst geschürt.
Welche Systemtechnik würden Sie im Falle einer Neuausschreibung präferieren?
Welche Technik zum Einsatz kommt – Satellitentechnik oder Mikrowelle – ist aus meiner Sicht nicht so entscheidend. Das System muss vor allem kostengünstig sein, zuverlässig arbeiten und, ganz wichtig, flexibel genug sein, damit Änderungen wie die Ausweitung auf andere Fahrzeugklassen jederzeit möglich sind.
In welchem Stadium befindet sich das Ausschreibungsverfahren derzeit?
Der Betrieb des Systems ist noch gar nicht ausgeschrieben, sondern lediglich ein Beratervertrag zur Begleitung des Bundes im Ausschreibungsprozess. Den Zuschlag hat eine Bietergemeinschaft erhalten, an der unter anderem die TÜV-Rheinland-Tochter Intertraffic und das Beratungsunternehmen KPMG beteiligt sind.
Wie transparent ist das Verfahren der Ausschreibung und der Stand der Schadenersatzklage für den Bundestag?
Die Transparenz ist auf jeden Fall verbesserungswürdig. Wir sind zwar daran gewöhnt, dass die Bundesregierung nur zögerlich informiert, wenn es um ihre eigenen unternehmerischen Bereiche geht, beispielsweise bei der Bahn oder beim Berliner Flughafen. Aber nicht nur eine bessere, sondern vor allem auch zeitige Information über anstehende Termine und Entscheidungen wäre sehr wünschenswert.
Interview: Dietmar Winkler