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Interview: "Grenzkontrollen kosten uns monatlich 40.000 Euro"

10.02.2016 11:18 Uhr
Interview: "Grenzkontrollen kosten uns monatlich 40.000 Euro"
Georg Dettendorfer, Chef der gleichnamigen Spedition, hält flächendeckende Grenzkontrollen für den Supergau
© Foto: Johann Dettendorfer Spedition Ferntrans

Georg Dettendorfer, Chef der Spedition Dettendorfer, warnt vor Grenzkontrollen: Sie kosten Geld und machen Logistikkonzepte wie Just-in-Time-Verkehre unmöglich.

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VerkehrRundschau: Seit Mitte September 2015 hat Deutschland wieder Grenzkontrollen zu Österreich eingeführt. Wie wirkt sich dies bislang auf Ihr Geschäft aus?

Georg Dettendorf: Unsere Spedition sitzt in Nussdorf/Inn und Kiefersfelden, also völlig grenznah. Vor der Schließung der Grenzen konnten wir unsere Kunden aus Salzburg und Tirol täglich mit fünf zeitlich sehr eng getakteten Linienverkehren beliefern. Heute sind es ein bis zwei Touren weniger, weil unsere Fahrer an den Grenzen warten müssen. In einigen Fällen mussten wir unsere Touren auch neu planen, etwa zu Zeiten fahren, wenn kein Stau droht, also in den frühen Morgenstunden. Das gefällt natürlich keinem Fahrer. Und für bestimmte Touren brauchen wir aufgrund der längeren Wartezeiten an den Grenzen sogar mehr Fahrer. Die aber findet man schwer, weil jeder fahren und keiner im Stau stehen will.

Wie viel Euro Mehrkosten hat Ihr Unternehmen nun durch diese Grenzkontrollen?

Pro Fahrzeug kosten uns die Kontrollen täglich mindestens eine halbe Stunde, und zwar pro Grenzübertritt. Da wir viele Italien-Verkehre haben, trifft uns das Thema Standzeiten also doppelt: Einmal am Brenner und einmal an der deutsch-österreichischen Grenze. Bei unseren Slowenien-Verkehren wird das ähnlich sein. Alles in allem rechne ich durch die Grenzkontrollen für unsere 150 festen Standard-Lkw im grenzüberschreitenden Fernverkehr bei durchschnittlich drei Grenzpassierungen die Woche mit monatlich rund 40.000 Euro Mehrkosten.

Was kostet Sie eine Stunde Wartezeit?

Im internationalen Verkehr liegen die Fixkosten eines regulären 40-Tonners täglich bei rund 450 Euro. Das sind 45 Euro pro Stunde. Rechnet man da die variablen Kosten mit rein, sind das rund 65 Euro, die uns eine Stunde Wartezeit pro Lkw kostet. Das zahlt uns natürlich kein Kunde, wenn man mit dem Jahresverträge ausgehandelt hat.

Mussten Sie schon Transportaufträge absagen, weil Sie aufgrund der Grenzkontrollen die Tour jetzt zeitlich nicht mehr schaffen?

Absagen noch nicht, aber die Touren werden für uns viel unproduktiver. Von unserem zentralen Tanklager in Kiefersfelden aus beliefern wir zum Beispiel diverse Großhändler in Tirol. Ohne Grenzaufenthalte konnten wir den Kunden fünf Mal pro Tag beliefern. Mit Grenzkontrollen schaffen wir noch drei bis vier Lieferungen in der normalen Arbeitsschicht! Das sind 15 bis 30 Prozent Umsatzeinbuße in diesem Geschäft. Auch bei unseren Just-in-Time-Verkehren (JIT) nach Linz haben wir größte Probleme und schaffen dies meist nur durch zusätzliche Ersatzfahrer für die letzten 100 Kilometer der Tour.

Apropos JIT-Verkehre – wer haftet jetzt da, wenn Sie aufgrund der Grenzkontrollen Verspätungsschäden haben?

Das ist eine spannende Frage. Aber warum sollte ein Frachtführer dafür haftbar gemacht werden, weil sein Kunde seine Versorgungssicherheit nicht durch ein eigenes Lager sicherstellen kann? Für Grenzkontrollen und damit verbundene Wartezeiten kann ein Frachtführer ja nun wirklich nichts. Der Kunde muss seine Prozesse einfach künftig anders takten, eine andere Form der Lagerhaltung finden, wenn es zu Grenzkontrollen kommt.

Wie gefährlich wäre es also, wenn Deutschland Ernst macht und tatsächlich wieder überall Grenzkontrollen einführt?

Das wäre für die gesamte Wirtschaft und damit auch für uns der Supergau! Die deutschen Unternehmen leben vom Export und der internationalen arbeitsteiligen Wirtschaft. Das funktioniert nur noch mit ausgeklügelter getakteter Logistik. Grenzkontrollen würden dieses engmaschige System zunichtemachen. Für die Wirtschaft würden also Grenzkontrollen einen totalen Rückfall in die finsterste Steinzeit bedeuten.

Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteurin Eva Hassa

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