-- Anzeige --

Interview: "Das sind keine fairen Regeln"

02.05.2016 10:02 Uhr
Interview: "Das sind keine fairen Regeln"
Karlheinz Schmidt, geschäftsführendes Präsidialmitglied im Bundesverband Güterverkehr, Logistik und Entsorgung
© Foto: VR/Martin Leissl

BGL-Geschäftsführer Karlheinz Schmidt erklärt im Interview, warum die neuen Maut-Regeln ein Schlag gegen den regionalen Wirtschaftsverkehr sind.

-- Anzeige --

VerkehrsRundschau: Kommt die Lkw-Maut für alle Bundesstraßen definitiv 2018?

Karlheinz Schmidt: Der Entwurf des neuen Mautgesetzes sieht Juli 2018 vor. Aber darin gibt es bereits einen Vorbehalt, dass der Bundesverkehrsminister auch ohne Anhörung des Bundestages eine Verschiebung erwirken kann.

Kommt die Lkw-Maut für alle Bundesstraßen definitiv 2018?

Der Entwurf des neuen Mautgesetzes sieht Juli 2018 vor. Aber im Entwurf gibt es ja bereits einen Vorbehalt, dass der Bundesverkehrsminister ohne Anhörung des Bundestages auch eine Verschiebung erwirken kann.

Das riecht gefährlich danach, dass diese Option auch genutzt werden soll.

Zumal sich eine Bundesstraßenmaut nur dann einführen lässt, wenn man die Höhe der Mautsätze kennt. Dazu benötigt man jedoch eine neue Wegekostenrechnung. Das entsprechende Gutachten ist ausgeschrieben. Wir haben noch nicht gehört, ob jemand den Zuschlag erhalten hat. Doch ob ein solches Mauthöhengesetz vor der Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres diskutiert und beschlossen werden kann, bezweifle ich. Also kommt es womöglich erst nach der Wahl. Dann ist die Frage, ob der Mautbetreiber in der Lage ist, die Maut so genau zu erheben, dass innerorts die einzelnen Abschnitte auch korrekt erfasst werden. Diese Anforderung an die Genauigkeit der Erfassung ist bei der jetzigen Maut nicht erforderlich.

Also ist die Bundesstraßenmaut zum 1. Juli 2018 eher unwahrscheinlich?

Der Termin könnte mit viel Ehrgeiz geschafft werden, vorausgesetzt man einigt sich auch politisch auf eine entsprechende Höhe.

Was spricht gegen eine Einigung?

Die geplanten zwei Milliarden Euro Einnahmen erreicht man nur, wenn die Bundesstraßenmaut  dreimal so hoch ausfällt wie die derzeitige Autobahnmaut. Denn die Ausschreibung zum Wegekostengutachten orientiert sich an der Berechnungssystematik der alten Wegekostenrechnung. Damit ist die absolute Höhe der Wegekosten offen, nicht aber die Methodik und damit die Relation zwischen Autobahn- und Bundesstraßenmaut.

Welche Folgen hätte eine solche Bundesstraßenmaut?

Das ist ein Schlag gegen die Bedienung der Fläche, wo der regionale Wirtschaftsverkehr abgewickelt wird. Damit würden für ein Euro-V-Fahrzeug fast 50 Cent pro Kilometer fällig.

Wer trägt diese Kosten?

Das Transportgewerbe kann diese Kosten sicher nicht übernehmen, sondern wird die Mehrkosten weitergeben an die Auftraggeber. Aber im Regionalverkehr sind ja auch viele Händler und Industriebetriebe mit eigenen Lkw unterwegs, zum Beispiel Brauereien oder Baustoffhändler. Deren Geschäft ist geprägt durch geringe Margen und einen hohen Wettbewerb, so dass ihnen diese Mehrkosten existenzielle Probleme bereiten könnten.

Welche Folgen hätte das für das Transportgewerbe?

Womöglich rechnet sich mit der Bundesstraßenmaut der eine oder andere Standort eines Verladers nicht mehr. Das könnte dann auch zu Auftragsverlusten für die Transportdienstleister führen. Man sollte solche Standortfragen nicht unterschätzen. Ein Beispiel für die Bedeutung von Transportkosten ist die Papierindustrie, die in Deutschland zunehmend an Bedeutung verloren hat, weil die Kunden Papier über den günstigen Seetransport aus China beziehen können.

Im regionalen Wirtschaftsverkehr sind deutlich weniger ausländische Lkw unterwegs. Müssen dann die geplanten Mauteinnahmen vorwiegend deutsche Lkw stemmen?

Es gibt keine exakten Zahlen für den Anteil ausländischer Lkw auf deutschen Bundesstraßen. Wir würden ihn auf 10 bis 15 Prozent schätzen, also deutlich weniger als auf Autobahnen, wo der Anteil bei über 40 Prozent liegt.

Werden Sie versuchen, das Mautgesetz zu verhindern?

Verhindern lässt sich das nicht. Unser Hauptforderung lautet: Die Bundesstraßenmaut darf nicht höher sein als die Autobahnmaut. Kernforderung Nummer zwei lautet: Keine Anrechnung von externen Kosten, solange andere diese nicht auch zahlen. Es kann nicht sein, dass dem Fuhrgewerbe Lärmkosten in Rechnung gestellt werden, während die Bahn für die Umrüstung auf lärmarme Waggons einen Zuschuss erhält.

Wie realistisch ist Ihre erste Forderung, wenn damit die zwei Milliarden Euro Einnahmen nicht annähernd erreicht werden?

Wir halten den Schaden, den eine zu hohe Bundesstraßenmaut verursacht, für viel bedeutsamer als die erhofften Einnahmen, die dem gegenüberstehen: Das sind z.B. negative strukturpolitische Effekte für strukturschwache Regionen und Randgebiete, die man eigentlich fördern will, dadurch aber noch weiter zurückfallen in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Und viele Verkehrspolitiker aus den Flächenländern haben uns versichert, dass eine solche Lösung für sie nicht in Betracht kommt. Der BGL steht also mit dieser Forderung nicht allein da.

Rechnen Sie damit, dass Industrie und Handel den BGL stärker beim Widerstand gegen eine hohe Bundesstraßenmaut unterstützen, weil die Unternehmen stärker betroffen sein werden?

Auf jeden Fall. Entweder haben sie ein hohes Eigeninteresse, weil sie einen eigenen Fuhrpark haben. Oder sie müssen bei uns die Rechnung bezahlen. Und es geht ja immerhin um eine Mautsteigerung um 30 Prozent. Wer glaubt, wir hätten das Geld in der Portokasse, der täuscht sich gewaltig. Es ist in diesem Fall auch nicht so einfach wie im Fernverkehr, wo der osteuropäische Transporteur „um die Ecke“ diese Transporte genauso gut abwickeln kann. Dieses Mal geht es um Spezialitäten, die ein ausländischer Frachtführer derzeit nicht oder deutlich schlechter beherrscht.

Im Gesetz wird festgehalten, dass weiterhin 450 Millionen Euro aus den Einnahmen dem mautpflichtigen Güterverkehr zukommen sollen. Ist das eine positive Nachricht?

Ja, aber keine wirklich zufriedenstellende. Denn schon heute sind viele Förderprogramme haushaltsrechtlich zusammengestrichen worden. Der Gesetzgeber könnte im Gesetz jedoch verankern, was konkret gefördert werden darf z.B. Berufskraftfahrerqualifikationen. Ein Beispiel ist die Lohnsteuerbefreiung für Personal im Seeverkehr. Zudem plädieren wir dafür, die Harmonisierungsmittel in Höhe von 450 Millionen Euro anzuheben, da mit dem neuen Gesetz auch die Zahl der erfassten Fahrzeuge um mehr als 30 Prozent ausgeweitet wird. Da wäre auch eine entsprechende Aufstockung der Mittel folgerichtig.

Für wie realistisch halten Sie es, dass die Lärmkosten bei der Maut berücksichtigt werden?

Die Lärmkosten anzurechnen ist nicht so einfach, wenn man davon ausgeht, dass je nach örtlichen Gegebenheiten unterschiedlich hohe Lärmkosten anfallen. Also muss man ein Lärmkataster aufbauen. Das ist machbar, dafür braucht man aber Zeit, weshalb ich eine solche Anrechnung erst in vier, fünf Jahren für umsetzbar halte.

Wird das Fuhrgewerbe ausgequetscht wie eine Zitrone?

Ja, das sind keine fairen Regeln: bei der Eisenbahn Subventionen für die Bremssohlen zu zahlen, aber bei den Lkw externe Kosten für den Lärm in Rechnung zu stellen. Das ist keine Kostenwahrheit und keine Gleichbehandlung der Verkehrsträger, sondern Eisenbahnpolitik.

Wird es wegen der Bundesstraßenmaut vermehrt zu Insolvenzen im Straßengüterverkehr kommen?

Wenn es zu Insolvenzen kommt, dann nicht vordergründig wegen der Maut, sondern wegen der Dumpingkonkurrenz, deren Wirkung deutlich über den Mautbelastungen liegen. Wenn die Märkte funktionieren würden, hätten wir auch mit der Maut kein Problem.

Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteur Michael Cordes.

Darum geht es:

Das neue 
Lkw-Mautgesetz

Der im April vorgelegte Entwurf zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes sieht vor, dass ab dem 1. Juli 2018 Lkw ab 7,5 Tonnen auch auf allen Bundesstraßen eine Maut zahlen müssen. Von dieser Mautausweitung erhofft sich der Bund jährliche Zusatzeinnahmen in Höhe von zwei Milliarden Euro. Eine beachtliche Summe, wenn man bedenkt, dass durch die derzeitige Lkw-Maut 4,5 Milliarden Euro per anno eingenommen werden.  (cd)

-- Anzeige --
-- Anzeige --
-- Anzeige --
-- Anzeige --

KOMMENTARE


SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

-- Anzeige --

WEITERLESEN




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


Die VerkehrsRundschau ist eine unabhängige und kompetente Abo-Fachzeitschrift für Spedition, Transport und Logistik und ein tagesaktuelles Online-Portal. VerkehrsRunschau.de bietet aktuelle Nachrichten, Hintergrundberichte, Analysen und informiert unter anderem zu Themen rund um Nutzfahrzeuge, Transport, Lager, Umschlag, Lkw-Maut, Fahrverbote, Fuhrparkmanagement, KEP sowie Ausbildung und Karriere, Recht und Geld, Test und Technik. Informative Dossiers bietet die VerkehrsRundschau auch zu Produkten und Dienstleistungen wie schwere Lkw, Trailer, Gabelstapler, Lagertechnik oder Versicherungen. Die Leser der VerkehrsRundschau sind Inhaber, Geschäftsführer, leitende Angestellte bei Logistikdienstleistern aus Transport, Spedition und Lagerei, Transportlogistik-Entscheider aus der verladenden Wirtschaft und Industrie.