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Interview: Contargo erhebt Stauzuschlag für Container

13.07.2017 13:41 Uhr
Interview: Contargo erhebt Stauzuschlag für Container
Heinrich Kerstgens, Geschäftsführer von Contargo für die Bereiche IT, Netzwerk, Logistik und Marketing
© Foto: VR/Stefanie Nonnenmann

Binnenschiffe müssen in Rotterdam und Antwerpen zum Teil tagelang auf die Abfertigung warten. Heinrich Kerstgens, Geschäftsführer von Contargo, über die Probleme und warum Contargo jetzt einen Stauzuschlag von 19,90 Euro pro Container erhebt.

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Die Containerabfertigung in den Seehäfen Rotterdam und Antwerpen wird zunehmend zum Desaster: So beschreibt der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) die Lage in den Westhäfen für seine Klientel. Alle Versprechungen der Terminalbetreiber, die Probleme in den Griff zu bekommen, hätten sich als haltlos erwiesen. Wie Contargo als trimodaler Container-Hinterland-Dienstleister mit diesen Schwierigkeiten umgeht, beschreibt Contargo-Geschäftsführer Heinrich Kerstgens.

VerkehrsRundschau: Wie lange müssen Ihre Binnenschiffe in den Terminals in Rotterdam und Antwerpen warten?

Heinrich Kerstgens: Unsere Schiffe warten zwischen 24 Stunden, was noch akzeptabel ist, bis zu 120 Stunden auf die Be- oder Entladung. Das geht mittlerweile schon einige Wochen so.

Was sind die Gründe?

Dafür gibt es viele Gründe. Ein Terminal war einem Hacker-Angriff ausgesetzt, weshalb die gesamte IT nicht zur Verfügung stand. An der Maasvlaakte II in Rotterdam sind einige Terminals noch neu, wo sich erst die Abläufe einspielen müssen. Dann kommen nicht wenige Schiffe verspätet. Das gravierendste Problem ist aber die Neuaufteilung der Linien durch die Reedereien in Kombination mit dem hohen Aufkommen. Einige Terminals sind deutlich über 90 Prozent ausgelastet. Wenn dann durch die neuen Reedereiallianzen neue Abläufe notwendig sind, bricht in einigen Terminals ein Chaos aus.

Von diesen Problemen müssten andere Verkehrsträger auch betroffen sein.

Ja, auch beim Lkw und bei der Bahn kommt es zu Verzögerungen. Aber die Binnenschiffe sind stärker von diesen Problemen betroffen, weil sie in der Regel an denselben Kränen abgewickelt werden wie die Seeschiffe und es dort dann zu größeren Engpässen kommt als bei der Bahn oder dem Lkw. Hinzu kommt, dass in der Binnenschifffahrt in der Regel größere Mengen gelöscht werden. Die Container eines Lkw kann ein Terminal auch bei hoher Auslastung schnell mal dazwischen schieben. Das funktioniert bei einem Binnenschiff mit 200 Umschlägen jedoch nicht. 

Was sagen Ihre Kunden, wenn Sie denen sagen müssen: Sorry, wir haben das Schiff nicht erreicht?

Das finden die natürlich nicht gut. Wir diskutieren darüber mit den Kunden, auch mit dem Seeverladerkommittee im Bundesverband der Deutschen Industrie. Die Forderung lautet: Die Probleme müssen gelöst werden, ansonsten ist der Verkehrsträger Binnenschiff hochgradig  gefährdet, weil immer wieder Schwierigkeiten auftauchen.

Gibt es auch Kunden, die darauf bestehen, angesichts der Probleme die Bahn oder den Lkw zu nutzen?

Das kommt vor, allerdings sind das bisher Einzelstimmen. Auch deshalb, weil wir über eine große Flotte verfügen und es meistens irgendwie doch hinbekommen, die Auswirkungen in Grenzen zu halten. Aber damit ist ein riesiger Kraftakt verbunden, der uns richtig Geld kostet. Wenn wir beispielsweise ein Schiff, dass im Hafen festhängt, nicht mehr für die Beladung am Rhein einsetzen können und dann ein anderes Schiff chartern müssen.

Und Contargo bleibt auf den Mehrkosten sitzen.

Die Binnenschifffahrt insgesamt bleibt darauf sitzen. Wir haben deshalb einen Stauzuschlag für Rotterdam und erstmals auch für Antwerpen beschlossen. Damit wollen wir einen Teil der Mehrkosten abdecken. Der Zuschlag beträgt 19,50 Euro pro Container. Mehrkosten entstehen auch deshalb, weil schneller gefahren werden muss, um die Verspätung aufzuholen. Das erhöht den Kraftstoffverbrauch und führt zu höheren CO2-Emissionen.

Wie hoch sind die Kosten, die Contargo durch die Verspätungen entstehen? 

Das ist aktuell schwer in konkreten Zahlen zu beziffern. Aber für die gesamte Branche belaufen sich die Zusatzkosten sicher im Millionenbereich.

Verlagern Sie jetzt vermehrt Transporte auf den Lkw?

Nein, weniger auf den Lkw, weil das doch sehr viel teurer ist. Auf die Bahn verlagern wir hingegen schon. Aber dort haben wir nicht beliebig freie Kapazitäten, weil wir natürlich darauf achten, dass unsere Züge gut ausgelastet sind. Dort ist also nicht mehr viel Platz und Sonderzüge fahren wir deshalb nicht.

Wie reagieren die Seehäfen auf Ihre Kritik?

Wir reden viel miteinander, sie versprechen Besserungen. Das funktioniert dann auch wieder zwei, drei Tage, aber dann kommt es wenig später wieder zu großen Verspätungen.

Die öffentliche Kritik an den Verspätungen hat nichts bewirkt?

Nicht wirklich. Es gibt dann wieder Tage, an denen es gut läuft. Aber insgesamt ist es nach wie vor sehr schwankend und kommt dann wieder eine Phase mit 70 bis 100 Stunden Verspätung. Dann müssen wir wieder viel improvisieren und das schmeißt uns die Disposition durcheinander

Aber dieses Phänomen ist nur in Rotterdam und Antwerpen zu beobachten, nicht in den anderen Seehäfen.

Ja, aber das liegt daran, dass die Binnenschifffahrt beispielsweise in Hamburg und Bremerhaven eine deutlich geringe Bedeutung hat und deshalb einfacher zu organisieren ist als in Antwerpen oder Rotterdam.

Reichen Ihnen die Stellungnahmen der Häfen Rotterdam und Antwerpen auf Ihre Kritik aus?

Die Aussagen hören sich alle gut an. Auch die angestrebten Projekte wie Nextlogic in Rotterdam sind sicher gut und gehen in eine richtige Richtung. Aber das dauert zu lange und hilft uns aktuell nicht weiter.

Vor dem Hintergrund der schon seit Jahren geäußerten Kritik, lautet da das Fazit: Die Binnenschifffahrt ist für Containertransporte nicht geeignet?

Nein, das kann man nicht sagen. Immerhin werden in Deutschland jährlich 2,3 Millionen TEU per Binnenschiff transportiert. Nur leider gibt es immer wieder neue Probleme, die die Abläufe in der Binnenschifffahrt beeinträchtigen. Man sollte die Maßnahmen, die bereits geplant sind, jetzt auch endlich umsetzen. Und besser wäre es, wenn man mit den Beteiligten auch die aus den Komplikationen entstehenden Kosten fair aufteilen könnte. 

Wird Contargo die Probleme zum Anlass nehmen, künftig mehr Container per Bahn oder Lkw zu befördern?

Wir werden jetzt keine Container vom Binnenschiff wegnehmen. Aber wir haben schon vor diesen Problemen uns zum Ziel gesetzt, stärker bei der Bahn zu wachsen. Von der bisherigen Mengenaufteilung zwei Drittel Binnenschiff, ein Drittel Bahn wollen wir auf 50/50 kommen, ohne jedoch bei der Binnenschifffahrt Mengen bewusst zu verschieben.

Der Ausblick nach vorne: Wann bekommen die Seehäfen die Lage in den Griff?

Wir befürchten, dass diese unerfreuliche Situation noch bis Mindestens Ende August anhalten wird.

Zumal der Hafen Rotterdam schon angekündigt hat, dass es angesichts der Ferienzeit zu Engpässen kommen kann.

Ja, völlig überraschend haben wir im Juli und August Sommerferien. Im Ernst, bei aller Kritik sehe ich bei den Maßnahmen, die die Häfen vorschlagen, durchaus Potential, dass die Probleme behoben werden können und die Situation kein Dauerzustand bleibt, was auch untragbar wäre. Aber bis diese Maßnahmen wirken, das dauert noch seine Zeit.

Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteur Michael Cordes.

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