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FAQ zum Mindestlohn in Frankreich

12.03.2015 17:36 Uhr
FAQ zum Mindestlohn in Frankreich
Vor Mitte nächsten Jahres wir sich in Frankreich nichts ändern - zunächst muss das Gesetz verabschiedet werden 
© Foto: Picture Alliance/dpa/Armin Weigel

Frankreich will den gesetzlichen Mindestlohn von knapp zehn Euro pro Stunde auf Lkw-Fahrer aus anderen EU-Ländern ausweiten. Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Mindestlohn.

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Paris. Die sozialistische Regierung in Paris unternimmt einen ebenso ambitionierten wie umstrittenen Versuch, Bewegung in die zweitgrößte Volkswirtschaft der Europäischen Union (EU) zu bringen. Im Mittelpunkt steht ein Reformgesetz, das den Namen von Wirtschaftsminister Macron trägt. Das Loi Macron enthält diverse Maßnahmen, die dem Ziel dienen, die Konjunktur des Landes anzukurbeln.

Eine davon ist die Ausweitung des gesetzlichen Mindestlohns auf die Unternehmen des Straßengüterverkehrs aus anderen Mitgliedstaaten: Der Salaire minimum interprofessionnel de croissance – kurz Smic – liegt seit Jahresanfang bei 9,61 Euro brutto pro Stunde. Künftig soll er nicht mehr bloß für die Beschäftigten in Frankreich gelten, sondern auch für ausländische Lkw-Fahrer, die dort zeitweise unterwegs sind. Die VerkehrsRundschau beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Gesetzesvorhaben.

Wieso will Frankreich seinen Mindestlohn auf ausländische Fahrer ausweiten?

Frankreich will nach eigenen Angaben die eigene Transportbranche gegen unlauteren Wettbewerb durch Billigkonkurrenten vor allem aus Osteuropa schützen und für mehr Rechtssicherheit sorgen. Deshalb plant die Regierung, die europäische Entsenderichtlinie zusammen mit der neuen Durchsetzungsrichtlinie, die seit dem vergangenem Frühjahr in Kraft ist, auf das Fahrpersonal ausländischer Straßengüterverkehrunternehmen anzuwenden. Auch die entsendeten Beschäftigten würden davon profitieren, weil dadurch Sozialdumping eingedämmt werde, so die Argumentation aus Paris.

Bislang wendete die französische Regierung die Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen von Dienstleistungen nicht auf Lkw-Fahrer aus dem EU-Ausland an. Zur Umsetzung der Regelungen aus Brüssel in den einzelnen Mitgliedstaaten bedarf es Änderungen in der nationalen Sozialgesetzgebung. Deshalb hat das Parlament kurz vor knapp einen entsprechenden Paragrafen in den Entwurf eines „Gesetzes zur Förderung von Aktivität, Wachstum und wirtschaftlicher Chancengleichheit“ aus dem Ressort von Wirtschaftsminister Emmanuel Macron aufgenommen.

Was besagen die EU-Regelwerke, auf die sich Paris jetzt berufen will?

Die Mitgliedstaaten sind aufgrund der Entsenderichtlinie verpflichtet, dafür zu sorgen, dass für entsandte Arbeitskräfte gewisse Arbeits- und Sozialstandards gelten. In der Vergangenheit war das nicht immer der Fall. Die neue Durchsetzungsrichtlinie soll dazu beitragen, dass die Vorschriften in der Praxis auch korrekt angewendet werden.

Entsendeunternehmen sind danach inzwischen verpflichtet, eine Ansprechperson für Kontakte mit den zuständigen Behörden zu benennen, ihre Identität, die Anzahl der zu entsendenden Arbeitskräfte, Beginn und Ende der Entsendung sowie Dauer, die Anschrift des Arbeitsplatzes und die Art der Dienstleistungen bekannt zu geben.

Weiterhin müssen sie grundlegende Unterlagen wie Beschäftigungsverträge, Lohnzettel und Arbeitszeitaufzeichnungen der entsandten Arbeitskräfte aufbewahren. Für die Umsetzung der neuen Durchsetzungsrichtlinie haben die EU-Länder bis Juni 2016 Zeit.

Welche Personen und Branchen betrifft die Ausweitung des Smic genau?

Lkw-Fahrer aus dem EU-Ausland, die auf französischem Gebiet tätig werden, sollen ähnlich wie in Deutschland denselben Arbeitsbedingungen und Tarifvereinbarungen unterliegen, wie sie für die heimischen Beschäftigten gelten, so Verkehrs-Staatssekretär Alain Vidalies. Dazu gehören neben dem gesetzlichen Mindestlohn Smic zum Beispiel auch Urlaubsregelungen. Die Ladekapazität des Fahrzeugs soll keine Rolle spielen. Die Ausweitung gilt laut dem Gesetzentwurf übrigens auch für die Binnenschifffahrt.

Welche Dienstleistungen sollen dem französischen Mindestlohn unterliegen?

Sowohl bei grenzüberschreitenden Verkehren als auch bei Kabotagefahrten sollen Transportunternehmen, die ihren Sitz nicht in Frankreich haben, ihren Leuten künftig 9,61 Euro brutto pro Stunde zahlen.

Dabei ist es laut dem Gesetzentwurf egal, ob deren Mitarbeiter nur kurzzeitig in Frankreich ent- und belädt oder ob er dort für eine längere Zeit unterwegs ist – zum Beispiel im Rahmen von drei Kabotage-Fahrten in sieben Tagen. Transitfahrten sollen nicht unter den französischen Mindestlohn fallen.

Was kommt laut dem Gesetzentwurf an Mehraufwand auf die Betroffenen zu?

Die französische Regierung verlangt in dem Gesetzentwurf, dass ausländische Transportunternehmen einen Vertreter benennen, der als Verantwortlicher gegenüber den Behörden fungiert. Zudem soll ein Entsende-Zertifikat die Voranmeldung der Entsendung ersetzen.

Unternehmen, die nicht in Frankreich sitzen, haben bisher nämlich die Entsendung ihrer Leute bei der Direktion für Arbeit des jeweiligen Einsatzortes anzumelden, bevor sie eine Dienstleistung erbringen. Diese obligatorische Entsendungserklärung war allerdings im April 2010 für Straßen- oder Flusskabotage-Fahrten, die weniger als sieben Tage dauern, abgeschafft worden. Nun soll diese Pflicht wieder aufleben und mittels des neuen Formulars leichter handhabbar sein.

Was geschieht, wenn ein deutscher Transporteur nicht die 9,61 Euro zahlt?

Französische Unternehmen, die ihren Beschäftigten weniger als 9,61 Euro brutto pro Stunde zahlen, drohen Geldstrafen von mindestens 1500 Euro für jeden unterbezahlten Mitarbeiter. Ob dies künftig auch bei länderübergreifenden Transportdienstleistungen gilt, dazu sagt der Gesetzentwurf nichts.

Geplant ist für die Entsendung von Lkw-Fahrern aus anderen Mitgliedstaaten nach Frankreich auf jeden Fall eine Auftraggeberhaftung. Diese unterscheidet sich allerdings von der Auftraggeberhaftung im deutschen Mindestlohngesetz. Der französische Gesetzgeber nennt als Auftraggeber den Empfänger – was in Deutschland für Verwunderung sorgt. Er haftet demnach für die Zahlung der Lohndifferenz, wenn einer der eingesetzten Dienstleister seinen Leuten für die Arbeitszeit in Frankreich weniger als 9,61 Euro brutto pro Stunde zahlt.

Nach Auskunft von Verkehrs-Staatssekretär Alain Vidalies, haftet der Auftraggeber wie nach deutschem Recht unabhängig vom eigenen Verschulden entlang der gesamten Subunternehmerkette für ausstehende Mindestlöhne und Sozialkassenbeiträge.

Wann tritt denn die Ausweitung des französischen Mindestlohns in Kraft?

Die geplante Vorschrift, wonach auch ausländische Lkw-Fahrer unter den französischen Mindestlohn fallen, ist noch nicht rechtskräftig. Das Parlament stimmte dem Wachstums- und Beschäftigungsgesetz inklusive der entsprechenden Ergänzung zwar Mitte Februar zu.

Doch erst wenn sich der Senat, die zweite Kammer des Landes, dazu geäußert hat und die Vorlage an die Nationalversammlung zurückgegangen ist, kann sie von dieser definitiv und gesetzlich bindend verabschiedet werden. Deutsche Branchenverbände erwarten die Verabschiedung des Gesetzesentwurfs innerhalb der nächsten drei Monate.

Anschließend vergehen wahrscheinlich noch mehrere Monate, bis die entsprechenden Ausführungsbestimmungen im Gesetzblatt erscheinen. Dann erst werden die neuen Vorschriften für ausländische Transportunternehmen verbindlich und kontrolliert. Bis Mitte 2016 bleibt wohl noch alles beim Alten. (ag)

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