Berlin. Einschränkungen des Schienengüterverkehrs aus Lärmgründen, würde der Industrie teuer zu stehen kommen. Das belegt eine Studie, die der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), der Verband der Güterwagenhalter in Deutschland (VPI) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in Auftrag gegeben hatten. Laut der Untersuchung „Folgen von Geschwindigkeitsbeschränkungen für den Schienengüterverkehr aus Lärmschutzgründen“, die von den Ingenieur- und Beratungsunternehmen VIA Consulting & Development und Railistics durchgeführt wurde, hätte bereits eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 70 km/h zehn Prozent höhere Transportkosten zur Folge. Außerdem schätzen die Experten, dass sich das Transportaufkommen um 30 Prozent reduzieren und die Beförderungszeit um ein Viertel verlängern könnte.
Ein komplettes Nachtfahrverbot würde den Schienengüterverkehr in seiner Existenz bedrohen weil eine Verschiebung der Schienentransporte in den Tag angesichts über 90-prozentiger Auslastung vieler Trassen undenkbar sei. Hintergrund der Studie ist die Vorgabe der Bundesregierung, die Lärmbelastung durch den Schienengüterverkehr - ausgehend vom Jahr 2008 - bis 2020 zu halbieren. Im Koalitionsvertrag sind ordnungsrechtliche Maßnahmen wie beispielsweise Tempolimits oder Nachtfahrverbote angedroht, wenn nicht bereits 2016 mindestens die Hälfte der rund 180.000 in Deutschland verkehrenden Güterwagen mit lärmmindernden Bremsen (Flüsterbremsen) umgerüstet sind.
„Angesichts dieser für den Standort Deutschland unvertretbaren Folgen dürfen derartige politische Maßnahmen 2016 nicht in Betracht kommen.“, heißt es in einer Pressemitteilung zur Studie. Gleichzeitig machen die Verbände klar, dass sich die Wirtschaft grundsätzlich zu dem Ziel der Lärmhalbierung bis 2020 bekennt. „Die Branche arbeitet an einer schnellen Lösung und hat sich deshalb zu einer vollständigen Lärmsanierung der Güterwagenflotte bis 2020 bekannt“, schreiben die Verbände.
Im Moment ist die Industrie aber skeptisch, das Etappenziel bis 2016 zu erreichen: „90.000 Güterwagen innerhalb von zwei Jahren umzurüsten oder zu ersetzen ist unmöglich. Weder stehen ausreichend Neubau-Kapazitäten zur Verfügung, noch sind für die Umrüstung genug Flüsterbremsen am Markt erhältlich, die Produktion der LL-Sohle läuft ja gerade erst an“, sagt VPI-Geschäftsführer Jürgen Tuscher. Derzeit sind 18.000 der insgesamt 65.000 Wagen privater Halter umgerüstet.
Der Verband fordert unter anderem eine staatliche Kompensation der Mehrkosten, die Wagenhaltern durch die Umrüstung des Wagenparks auf leise Bremsen entstehen. Der VPI beziffert diese Mehrkosten auf 0,7 Eurocent pro Achskilometer. Derzeit ist ein solcher Anreiz politisch nicht vorgesehen – nur die reine Umrüstung wird gefördert. Außerdem setzt sich der Verband für europäische Regelungen ein, um Wettbewerbsgleichheit mit ausländischen Anbietern zu erreichen. (diwi)