Brüssel. Das Binnenschiff gilt in Brüssel als umweltfreundlich. Schiffe belasten die Umwelt deutlich weniger als die Bahn oder der Lkw. Für die gleiche Fracht erzeugt ein Binnenschiff nur ein Zehntel des Lärms und der Schadstoffe, die beim Transport per Lkw anfallen. Die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße und der Schiene auf Flüsse und Kanäle war daher stets erklärtes Ziel der EU-Kommission.
Projekte sind nicht abgestimmt
Dieses Image hat den Blick der europäischen Bürokratie offenbar getrübt. Das geht aus einem Bericht des Europäischen Rechnungshofes hervor, den der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause beraten hat. Die Rechnungsprüfer der EU haben mehrere Projekte unter die Lupe genommen, die in der letzten Finanzierungsperiode (2007 bis 2013) Geld aus Brüssel bekommen haben.
In Fankel an der Mosel sollte schon in den 90er-Jahren eine zweite Schleuse gebaut werden. Mithilfe von EU-Geldern kam es dazu schließlich 2006. Der für 2011 geplante Betriebsbeginn verzögerte sich aber bis 2014, weil die Pläne nachträglich geändert wurden. Der Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen blieb hinter den Notwendigkeiten für die Schifffahrt zurück, weil sich die Behörden für die umweltschonendere Variante entschieden. Und in Tschechien wurde die Moldau für 32 Millionen Euro ausgebaut, benutzt wird sie jedoch nur von Touristen.
In Deutschland ging der Anteil von 15 auf 12,3 Prozent zurück
Obwohl in die Engpassbeseitigung auf Kanälen und Flüssen in der EU zwischen 2007 und 2013 zweistellige Milliardenbeträge geflossen sind, ist der Anteil der Binnenschifffahrt am Gütertransport seit 2001 praktisch unverändert. Nur in wenigen Ländern verschob sich der „Modal-Split“ zugunsten der Schifffahrt. In Belgien konnte sie ihren Anteil am Gütertransport von 11,3 auf 24,3 Prozent mehr als verdoppeln, ähnliche Zuwächse wurden in Rumänien und Bulgarien erzielt. In Deutschland ging der Anteil von 15 auf 12,3 Prozent zurück. Der Ausschussvorsitzende, Michael Cramer (Grüne), hält die Ausbaupläne für eine „riesengroße Träumerei“. Die meisten Investitionen seien wegen der natürlichen Grenzen des Verkehrsträgers rausgeworfenes Geld.
Auch der Rechnungshof geht davon aus, dass die Fördermittel keinen signifikanten Beitrag zu den verkehrspolitischen Zielen der EU geleistet haben. Er macht dafür vor allem die Mitgliedstaaten verantwortlich, die „häufig nicht die wichtigsten Projekte“ vorrangig betrieben. Außerdem seien die Projekte nicht abgestimmt. Die fehlende Zusammenarbeit führe dazu, dass Engpässe in dem einen Land beseitigt würden und im anderen bestehen blieben. Die Rechnungsprüfer empfehlen den Verkehrspolitikern in Brüssel und in den Ländern, sich auf Projekte zu konzentrieren, die den größten Nutzen für alle Anrainer haben. Die Kommission sollte vor allem solche Projekte finanzieren, die für das Gesamtnetz Bedeutung haben und deren Planung weit fortgeschritten sei. Bei der nächsten Revision der TEN-Verordnung sollten die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, „nationale Binnenschifffahrts-Pläne“ aufzustellen und miteinander abzustimmen. (tw)