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EU kassiert Kritik für Entsenderichtlinie

14.03.2016 16:07 Uhr
EU kassiert Kritik für Entsenderichtlinie
Wer in einem EU-Staat arbeitet, soll künftig den branchüblichen Lohn des Landes erhalten
© Foto: Fotolia/Bluedesign

Die EU-Kommission hat eine reformierte Entsenderichtlinie vorgelegt, die für faire Löhne im Binnenmarkt sorgen soll. Der Verkehrssektor könnte dabei aber außen vor bleiben.

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Brüssel. In seiner Antrittsrede vor dem Europäischen Parlament hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versprochen, gegen „Sozialdumping“ in Europa vorzugehen: „In unserer Union sollte es für jede Arbeit am gleichen Ort den gleichen Lohn geben“. Diesen Vorsatz will die Kommission jetzt umsetzen. Sozialkommissarin Marianne Thyssen hat dem Ministerrat und dem Parlament eine Überarbeitung der 20 Jahre alten Entsenderichtlinie zugeleitet.

Nach der geltenden Entsenderichtlinie erhalten Arbeitnehmer, die Aufträge in einem anderen EU-Land ausführen, mindestens den dort üblichen Mindestlohn. Diesen Grundsatz, auf den sich die Mitgliedstaaten 1996 verständigt hatten, will die EU-Kommission abschaffen. Stattdessen sollen entsandte Arbeitnehmer den vollen Tariflohn einschließlich Zulagen bekommen.

Beispiel: Ein polnischer Lkw führt einen Transport in Bayern durch, der sechs Stunden dauert. Dafür muss er seinem Fahrer heute 51 Euro (6 mal 8,50 Euro Mindestlohn) plus die in Polen üblichen Sozialabgaben zahlen. Nach dem Vorschlag der Kommission würde der Fahrer für die gleiche Tour rund 70 Euro (6 mal 11,60 bayerischer Tariflohn) plus Zulagen bekommen, das wären etwa 35 Prozent mehr. Nach spätestens zwei Jahren müssen die entsandten Arbeitnehmer den lokalen Arbeitskräften vollständig gleichgestellt werden, also auch im Hinblick auf den Kündigungsschutz und alle anderen Rechte. Außerdem müssen sie dann Beiträge zur lokalen Sozialversicherung leisten. Ob diese Regeln am Ende auch im Verkehrsgewerbe gelten, steht noch nicht fest. Angesichts der hohen Mobilität in dieser Branche, heißt es im Vorschlag der Kommission, müsse man möglicherweise über eine „sektorspezifische Regelung“ nachdenken.

Im Europäischen Parlament ist der Vorschlag unterschiedlich aufgenommen worden. Die meisten Abgeordneten finden es zwar gut, dass sich die Kommission überhaupt mit dem Problem befasst. Grünen und Sozialdemokraten gehen die Vorschläge aber nicht weit genug. Eine vollständige Gleichstellung erst nach zwei Jahren sei vollkommen ungenügend, sagt die SPD-Abgeordnete Jutta Steinruck. Bei einer durchschnittlichen Entsendungsdauer von vier Monaten laufe dieser Vorschlag praktisch ins Leere. Sven Schulze (CDU) hält die Vorlage der Kommission für eine „gute Diskussionsgrundlage“. Die Konservativen wollen den Vorschlag ihres eigenen Kommissionspräsidenten nicht rundweg ablehnen, halten ihn aber für verbesserungswürdig. Abgeordnete aus Osteuropa laufen Sturm: „Damit schaffen die reichen Mitgliedstaaten im Westen auf dem Verkehrsmarkt neue Hindernisse für die Mobilität“, schimpft der Pole Kosma Zlotowski von der Partei „Recht und Gerechtigkeit“.

Gewerkschaften fühlen sich übergangen

Die Sozialpartner sind empört darüber, dass die Kommission über ihre Köpfe hinweg entschieden hat. Anfang März hatten Arbeitgeber und Gewerkschaften sie in einem gemeinsamen Brief vor einer „unvorhersehbaren und spalterischen Debatte“ gewarnt und um Aufschub gebeten. In der Kommission glaubt man jedoch nicht, dass eine längere, interne Diskussion zu einem Konsens geführt hätte. Der europäische Arbeitgeberverband BusinessEurope hält eine Änderung der Entsenderichtlinie für völlig überflüssig. Niemand wisse, ob eine neue Regelung zu einem faireren Wettbewerb führe, sagt Generalsekretär Markus Beyrer. Die absehbare Debatte bringe vor allem neue Unsicherheit für die Unternehmen, zumal die erst vor zwei Jahren beschlossene Richtlinie zur besseren Umsetzung der Entsenderichtlinie noch nicht einmal in Kraft getreten sei. (tw)

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