Gütersloh. Wie die Chancen für Studierende und Absolventen stehen und wie sich das System Hochschule künftig verändern wird, erzählt Frank Ziegele, Geschäftsführer CHE Centrum für Hochschulentwicklung.
Hochschulbildung – der Normalfall. Welche Folgen hat das?
Die akademische Ausbildung liegt mit der beruflichen Ausbildung zahlenmäßig erstmals auf Augenhöhe. Vor 20 Jahren war die Zahl der neuen Azubis noch mehr als doppelt so hoch wie die der Studienanfänger. Die Hochschulen sind also voll, haben aber ihr Angebot ausgeweitet. Die heutige Generation der Schulabgänger hat viel mehr Möglichkeiten, mit akademischer Bildung in Berührung zu kommen.
Was bedeutet das für junge Leute?
Der Einstieg in ein Studium und damit später in einen Job ist eher leichter geworden. Denn die Chance, zu studieren, ist so groß wie noch nie zuvor. Das liegt an der größeren Anzahl an Studienberechtigten und an den geänderten Zulassungskriterien. So ist es zum Beispiel seit 2009 erlaubt, ohne Abitur, dafür aber mit der entsprechenden Berufserfahrung ein Studium zu beginnen. Zudem werden die Chancen für Studierende mit Kind besser, weil die Hochschulen Familienorientierung als Aufgabe erkennen. Im Studium selbst erwirbt man dann Kompetenzen, die in der heutigen Arbeitswelt geschätzt und eingefordert werden.
Gibt es nicht irgendwann zu viele Absolventen?
Die viel zitierte „Akademikerschwemme“ auf dem Arbeitsmarkt lässt sich nicht feststellen. Obwohl sich die Zahl der Absolventen in den vergangenen zwanzig Jahren verdoppelt hat, ist die Arbeitslosenquote bei Akademikern sogar gesunken, auf 2,4 Prozent. Das ist ein Niveau, bei dem Arbeitsmarktexperten von Vollbeschäftigung sprechen.
Wie sieht die Zukunft aus? Wird sich am System Hochschule grundlegend etwas ändern?
Damit die Hochschulen langfristig einer Hochschulbildung als Normalfall gerecht werden, muss an vielen Stellschrauben gedreht werden – von den Studienangeboten über die Studienfinanzierung bis hin zu ganz neuen Hochschultypen. Hier plädieren wir für einen offeneren Hochschulbegriff in Deutschland, der auch die Gründung von Spezial- und Kleinsthochschulen zulässt, wie es sie bereits im Ausland gibt. So richtet sich etwa die National Hispanics University in San José mit einem zweisprachigen Angebot in Spanisch und Englisch nach den Bedürfnissen und Vorkenntnissen ihrer lateinamerikanischen Studierenden. Solche Angebote werden der Vielfalt der Studierenden gerecht und ein solche Hochschulverständnis wünschen wir uns für die Zukunft. (ts)