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BGL rechnet mit weiteren Mautklagen

13.04.2015 10:30 Uhr
BGL rechnet mit weiteren Mautklagen
BGL-Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt sieht in der Einteilung der Achsklassen bei der Maut die „Grenze der Willkür“ verletzt
© Foto: VR/Michael Cordes

Für BGL-Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt ist die neue Einteilung der Achsklassen bei der Lkw-Maut nicht schlüssig. Der Verband rechnet mit weiteren Klagen gegen die gesetzliche Grundlage.

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Nach der Verabschiedung des geänderten Bundesfernstraßenmautgesetzes und einer Entschließung des Bundestags zu diesem Gesetz hat der BGL vor weiteren Kostenbelastungen gewarnt. Worüber ärgern Sie sich?
Karlheinz Schmidt: Die Entschließung enthält den Auftrag an die Bundesregierung, für eine Änderung der europäischen Wegekostenrichtlinie zu sorgen, um weitere externe Kosten anlasten zu können. Durch die Einpreisung von Kosten für z. B. Staus, Lärm und Unfälle soll künftig ein „höherer Kostendeckungsgrad“ erreicht werden. Bisher wird nur die Luftverschmutzung angelastet, und es gibt den Auftrag, auch die Lärmkomponente nach entsprechender Datengrundlage mit in die Maut einzubeziehen. Jetzt sollen hier offenbar noch weitere Anlastungstatbestände hinzu kommen. Wenn die Höchstsätze aus dem EU-Handbuch zur Anwendung kommen, könnten sich die Transportpreise verdoppeln bis verdreifachen. Es geht in der Spitze um Belastungen in dreistelliger Milliardenhöhe für den EU-Straßengüterverkehr.

Ist die Anlastung von Stau- und Unfallkosten durch die EU-Wegekostenrichtlinie denn gedeckt?
Nein. Bisher dürfen laut Richtlinie 2011/76/EU nur die Kosten für Luftverschmutzung und Lärm angelastet werden. Allerdings sollen die Möglichkeiten, weitere externe Kosten in die Maut einzubeziehen, auf EU-Ebene mit dem nächsten Road Package im kommenden Jahr erweitert werden. Der Entschließungsantrag der Koalition zielt genau darauf ab. Die wissenschaftliche Grundlage für die Anrechnung dieser externen Kosten ist hochumstritten, das zeigen auch die Daten im EU-Handbuch zur Anlastung externer Kosten.

Ist man in Berlin der Meinung, dass der Lkw die Wegekosten nicht deckt?
Der Deckungsgrad des Lkw bei den verursachten Wegekosten liegt sogar über 100 Prozent. Offenbar wünscht man sich einen Deckungsgrad noch deutlicher über 100 Prozent.

Verstehen sie die Androhung noch höher Kosten als Kampfansage an den Lkw?
Wenn man sich anhört, was in der letzten Mautdebatte im Bundestag gerade auch von CDU/CSU-Fraktion zu hören war, die ebenfalls für eine Ausweitung der externen Kosten plädiert hat, dann sind wir erstaunt, und es ist in der Tat besorgniserregend.

In der Entschließung steht auch, dass ab 2018 die Systematik der Achsklassen bei der Maut verändert werden soll. Es soll dann auch die tatsächliche Achslast berücksichtigt werden. Kommt ihnen das nicht entgegen?
Das ist vollkommen richtig, weil die Achszahl alleine noch nichts über die tatsächliche Straßenbelastung aussagt. Die ab Oktober gültige Einteilung in vier Achsklassen ohne Berücksichtigung des Gewichts macht daher aus unserer Sicht wenig Sinn. Eine 4-Achs-Kombination hat bei voller Ausschöpfung der Nutzlast einen höheren Straßenverschleiß als ein fünfachsiges Fahrzeug mit 40 Tonnen. Dennoch ist sie um 1,8 Cent pro Kilometer bei der Maut besser gestellt. Mit der Verteuerung des 5-Achsers gegenüber 4-Achsern ist aus unserer Sicht die „Grenze der Willkür“ überschritten.

Sie spielen auf die gescheiterte Mautklage des BGL an …
Das Verwaltungsgericht hat mit seinem Urteil zur Festlegung der Mauthöhe dem Staat einen Ermessensspielraum eingeräumt, der nur durch das Willkürverbot begrenzt wird. Da die europäische Wegekostenrichtlinie kein entsprechendes Berechnungsverfahren vorgebe, dürften die Bundesrepublik Deutschland und ihre Gutachter frei über die Berechnungsmethode entscheiden. Einzige Obergrenze für die Mautberechnung sei das Willkürverbot aus der Verfassung. Wenn der 4-Achser genauso viel Verkehrsraum beansprucht und mehr Straßenverschleiß hat als ein 5-Achser, dann ist diese Grenze verletzt.

Klingt wie eine Drohung …
Es ist offensichtlich, dass die nächste Klage gegen diese Art der Mautfestsetzung wahrscheinlich ist. Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Ein Unternehmer, der einen Sattelzug mit Liftachse einsetzt, ist der Ansicht, dass er mit hochgeklappter fünfter Achse nicht wie ein 5-Achser bemautet werden dürfte. Er hat das gleiche Gewicht, die gleichen Abmessungen wie ein 4-Achser, benutzt die Straße nur mit vier Achsen, muss aber fünf bezahlen. Der Entschließungsantrag ist - so verstehen wir das - eine Ermahnung an das Bundesverkehrsministerium den Fehler bei der Bemautung zu reparieren. Vielleicht ist nicht nur der BGL davon überzeugt, dass das System nicht allen Klagen standhalten könnte.

Wäre ein Bemautungssystem, das mit Quotienten aus Fahrzeuggewicht und Achsenzahl arbeitet ein gangbarer Weg?
Grundsätzlich ist das ein sinnvoller Ansatz, aber wie will man das kontrollieren? Wie soll die Mautbrücke erkennen, auf welches Gewicht ein 5-achsiger Lkw zugelassen ist? Es müsste online ein Abgleich beim KBA erfolgen mit den Zulassungsdaten für Zugmaschine und Anhänger/Auflieger. Das ist derart komplex, dass es in der Praxis kaum zu bewerkstelligen ist. 40 Prozent der mautpflichtigen Kilometer entfallen auf ausländische Fahrzeuge. Für dieses schnell wachsende Marktsegment gibt es für dieses Problem gar keine erkennbare Lösung.

Das Interview führte VR-Redakteur Dietmar Winkler

Hintergrund:
In einer Entschließung zum Bundesfernstraßenmautgesetz, das die Ausweitung der Lkw-Maut auf weitere Bundesstraßen und auf Lkw ab 7,5 Tonnen regelt, hat der Bundestag die Regierung beauftragt, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, über die Maut weitere externe Kosten anzulasten. Außerdem soll ab 2018 bei der Mauthöhe die tatsächliche Achslast einer Fahrzeugkombination berücksichtigt werden. 

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