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"Aussichten sind deutlich nach oben gerichtet"

30.05.2016 09:53 Uhr
"Aussichten sind deutlich nach oben gerichtet"
Professor Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums des IfW, rechnet mit einem Wirtschaftswachstum von zwei Prozent für Deutschland 2016
© Foto: Institut für Weltwirtschaft

Professor Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums am Institut für Weltwirtschaft, warnt vor einem Boom, kritisiert die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und sagt der Logistikbranche eine Aufwärtsentwicklung voraus.

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München. Der Auftakt 2016 war verheißungsvoll: Um 0,7 Prozent stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 2016 im Vergleich zum Vorquartal. Eine Zunahme, die für viele überraschend kam, nicht jedoch für das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. Das hatte in seiner Frühjahrsprognose ein Plus von 0,64 Prozent vorhergesagt. Das IfW befragt für die Bundesvereinigung Logistik zudem jedes Quartal auch Unternehmen zur wirtschaftlichen Lage im Logistikgewerbe. Professor Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums am IfW, zu der weiteren Entwicklung 2016 und den Aussichten für die Logistikbranche.

VerkehrsRundschau: Was waren die Ursachen für den kräftigen Anstieg des Wirtschaftswachstums im ersten Quartal?
Professor Stefan Kooths: Zum einen wird die ohnehin schon auf hohem Niveau befindliche private Konsumnachfrage massiv gestützt durch die Kaufkraftgewinne in Folge der niedrigen Energiepreise. Dann gibt es zusätzlichen Stimulus durch die staatlichen Aktivitäten, auch aufgrund der Ausgaben für die Flüchtlinge. Und die milde Witterung hat die Investitionstätigkeit der Bauwirtschaft begünstigt. Zudem sprang im Januar die Industrieproduktion kräftig an. Auch wenn klar war, dass ein Teil dieses Anstiegs in den Folgemonaten wieder eingesammelt würde, so reichte es allemal für ein kräftiges Quartalsplus.

Viele hatten mit einem solch hohen Wachstum nicht gerechnet.
Uns hat die Entwicklung nicht überrascht. Wir hatten ein Plus von 0,64 Prozent in unserer Frühjahrsprognose vorhergesagt. Aus diversen Umfrageergebnissen war zu erkennen, dass es zwar eine gewisse Zurückhaltung unter den exportorientierten Industrieunternehmen gab, aber die Signale aus der Dienstleistungsbranche sehr positiv waren. Das deutete auf eine kräftige Binnennachfrage hin.

Wird 2016 ein Boomjahr?
Boom ist zu viel gesagt. Wir gehen aber davon aus, dass im Verlauf des Jahres die Auslastung weiter steigt. Die deutsche Wirtschaft arbeitet derzeit mit normaler Kapazitätsauslastung, diese wird sich aber erhöhen. Wir expandieren etwas stärker als unsere Produktionsmöglichkeiten wachsen. Das ist noch kein ausgeprägter Boom. Aber mittelfristig sehen wir die Gefahr, dass aus der leichten Überauslastung eine Hochkonjunktur wird.

Eine hohe Auslastung: die wünscht sich doch jeder Unternehmer.
Aber nicht, wenn es danach umso stärker wieder abwärts geht. Mehr ist deshalb nicht unbedingt besser. Wenn man deutlich über die Normalauslastung hinausschießt, ist eine Anpassungsrezession unvermeidlich. In dem Zusammenwirken von Boom und Rezession werden knappe Ressourcen verschwendet, weshalb solche Extreme ungut sind für eine Volkswirtschaft. Dämmen wir also die Ausschläge nach oben ein, kommt es anschließend auch nicht zu den tiefen Korrekturen nach unten. Man sollte sich nicht an hohen Zuwachsraten berauschen, solange die nicht gestützt sind durch ein Wachstum der Produktionskapazitäten im gleichen Umfang. Bei den Produktionskapazitäten ist aber nicht mehr als ein Zuwachs von 1,5 Prozent in Sicht.

Mit welchem Wirtschaftswachstum rechnet Ihr Institut für 2016?
Wir können uns eine Zunahme von zwei Prozent vorstellen, auch weiterhin befeuert durch das massive, ultraexpansive monetäre Umfeld.

Was sollte man tun, um ein zu starkes Wachstum zu verhindern?
Gegen das monetäre Umfeld kann man aus nationaler Perspektive kaum etwas tun. Von staatlicher Seite kann man aber zumindest alles unterlassen, was dazu führt, dass die Konjunktur noch stärker angeheizt wird.

Also zum Beispiel auf Investitionen in die Infrastruktur verzichten.
Nein. Wir müssen die Höhe der Staatsausgaben und die Struktur der Staatsausgaben auseinander halten. Der Erhalt der Verkehrsinfrastruktur ist ein Dauerthema, das angegangen werden sollte. Dann muss man sich aber an anderer Stelle einschränken und beim Staatskonsum nicht immer mehr draufsatteln. Die derzeitigen Signale aus der Politik gehen leider nicht in diese Richtung: Statt die Überschüsse stehen zu lassen und damit zur gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung beizutragen, gibt es vermehrt Forderungen, das Geld für soziale Projekte zu verausgaben.

Auch Sigmar Gabriel hat solche Maßnahmen angekündigt. Betreibt der Wirtschaftsminister eine falsche Wirtschaftspolitik?
Aus ökonomischer Sicht muss man leider zu dem Schluss kommen, dass diese Vorhaben nicht stabilitätsgerecht sind. Nun mag es noch andere Kriterien geben, die Ökonomen nicht zu beurteilen haben. Unsere Aufgabe ist es, auf die ökonomischen Konsequenzen hinzuweisen, die mit der eingeschlagenen Politik einhergehen. So kann sich die Öffentlichkeit und die Politik ein Bild davon machen, ob diese Konsequenzen tatsächlich in Kauf genommen werden sollen. Die finale Entscheidung muss natürlich bei den Wählern liegen, nicht bei den Ökonomen. Leider kommen zu den kurzfristig destabilisierenden Effekten mittelfristig noch weitere Probleme hinzu. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts sonnt sich Deutschland in einem demographischen Zwischenhoch mit spürbarem Wachstum an Arbeitskräften. Mit Beginn des neuen Jahrzehnts sind diese Zeiten vorbei, dann müssen wir uns auf deutlich niedrigere Wachstumsraten für die Produktionsmöglichkeiten einstellen. Deshalb wäre es klug, die Ansprüche an den Sozialstaat jetzt nicht abermals aufzustocken, wenn sich abzeichnet, dass die Belastung der aktiven Bevölkerung weiter zunehmen wird.

Was wird ab 2019 anders als jetzt?
Dann werden sich die dämpfenden demografischen Effekte durchsetzen. Das Arbeitskräftepotential sinkt. Die Erwerbsbevölkerung, die den Kuchen backen soll, den andere essen wollen, schrumpft. Vor diesem Hintergrund sind Anreize wie Frühverrentung eine falsche Wirtschaftspolitik. Wenn die Bäcker weniger werden, sollte man nicht immer größere Kuchenstücke versprechen.

Ihr Institut veröffentlicht für die Bundesvereinigung Logistik (BVL) den Logistikindikator, in dem Verlader und Dienstleister jedes Quartal zur aktuellen konjunkturellen Lage befragt werden. Dort hat das Geschäftsklima zu Jahresbeginn nachgegeben. Wie erklären Sie sich dieses im Vergleich zum BIP-Wachstum widersprüchliche Ergebnis?
Zum einen gab es um die Jahreswende eine außenwirtschaftliche Flaute. Die bekommt die Logistikwirtschaft sofort zu spüren. Die Befragung erfolgte in der ersten Februarhälfte. Da dürften vor allem die Logistikdienstleister die kalte Dusche aus dem Vorquartal noch vor Augen haben. Die gesunkenen Ölpreise haben sich ebenfalls negativ ausgewirkt. Ein solch starker Verfall führt dazu, dass Kaufkraft global erheblich umgelenkt wird. Das drückt auf die bestehenden Handelsbeziehungen, die sich neu ausrichten müssen. Dies geht aber nicht über Nacht, so dass zunächst die weltweiten Austauschprozesse leiden.

Warum leiden die Logistikdienstleister stärker darunter als Industrie und Handel?
Die Dienstleister reagieren generell schneller, weil sie eine Pufferfunktion ausüben, während Industrie und Handel weniger zyklisch reagieren und Ausschläge nach oben oder unten über die Dienstleister abfedern. Sowohl das Klima wie auch die Erwartungen waren bei den Dienstleistern rückläufig. Aber es handelte sich auch nicht um desaströse Zahlen, es herrschte einfach nur keine gute Stimmung.

Wird die Transport- und Logistikwirtschaft von der positiven Konjunkturentwicklung in diesem Jahr profitieren?
Ja, es zeichnet sich ab, dass auch der Außenhandel wieder kräftiger zulegen wird. Das strahlt auch auf die Transport- und Logistikwirtschaft ab. Die Aussichten für diese Branche sind deutlich nach oben gerichtet.

Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteur Michael Cordes

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